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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen
Autoren: Marah Woolf
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mich?«
    »Was glauben Sie denn?«
    Nathan seufzte und sah mit einem Mal noch jünger aus. »Wenn ich das wüsste«, sagte er mit entwaffnender Ehrlichkeit.
    Miss Olive tätschelte tröstend seinen Arm. »Ich habe getan, was ich konnte. Ich werde Lucy sagen, was ich weiß, und dann bleibt mir nur zu hoffen, dass sie das Richtige tut. Wenn Sie ihr dabei helfen, Nathan, umso besser. Die Zeit des Bundes ist vorbei. Ich hoffe, Sie wissen, was das bedeutet.«
    Nathan nickte. »Ich denke schon.«
     
    Lucy saß auf einem der Stühle, die vor dem Fernseher in der Galerie aufgereiht waren. Sie achtete nicht auf den Film, der den Besuchern etwas über den alljährlichen Besuch der Queen in dem Palast erzählen sollte. Sie blickte nur in die Richtung, aus der Nathan und Miss Olive den Saal betreten mussten. Die Wunde an ihrem Bein pulsierte unerträglich. Bestimmt war das kein gutes Zeichen.
    Wo blieben die beiden? Ob Miss Olive es sich überlegt hatte und doch nicht kam? Es hatte ihr nicht gefallen, dass Lucy Nathan befreit hatte. Sie traute den de Tremaines nicht, andererseits kannte sie Nathan nicht einmal. Lucy starrte auf das Handy in ihrer Hand. Vor wenigen Minuten hatte sie endlich Antwort auf ihre SMS bekommen. Schon letzte Nacht hatte sie ihre Freunde gefragt, ob alles gut gegangen war. Sie hatte inständig gehofft, dass Batiste seine Wut nicht an ihnen ausließ. Erst jetzt hatte Jules ihr geantwortet. Noch einmal las Lucy die SMS.
    »Wir sind froh, dass ihr entkommen seid. Hier ist alles glattgegangen, nur Colin hat etwas abgekriegt. Zwei von Batistes Schlägern haben ihn verprügelt. Aber keine Angst, er hat nichts abbekommen, was nicht wieder verheilt. Wir kümmern uns um ihn. Mach dir keine Sorgen. Wir drücken euch ganz fest die Daumen – und wenn ihr uns braucht … Jules.«
    Sie hatten Colin zusammengeschlagen. Die Angst um ihn schnürte Lucy die Kehle zu. Die Nachricht hatte zwar ganz optimistisch geklungen, aber wie Lucy Jules kannte, wollte diese nicht, dass sie sich Sorgen um Colin machte. Sicherlich war es schlimmer, als sie es schilderte. Sie musste Jules nachher anrufen, gleich nach dem Treffen mit Miss Olive. Oder war es besser, sich nicht mehr bei den dreien zu melden? Sie sollte ihre Freunde zukünftig aus der Sache heraushalten. Sie hatte sie schon viel zu sehr in Gefahr gebracht.
    Wo blieb Nathan bloß? Lucy sah in dem Moment auf, in dem Nathan mit Miss Olive um die Ecke bog.
    Lächelnd stand sie auf und humpelte den beiden entgegen. Miss Olive musterte sie besorgt, als sie in der Mitte des Raumes aufeinandertrafen.
    »Du musst damit zu einem Arzt, Lucy«, erklärte sie. »Das Bein ist bereits geschwollen. Mit einem normalen Biss ist schon nicht zu spaßen. Bisse von diesen Geschöpfen, die Batiste da geschaffen hat, sind sicherlich noch gefährlicher.«
    Erstaunt sah Lucy Nathan an, doch dieser zuckte nur mit den Achseln.
    Miss Olive sah sich um. Bis auf zwei andere Touristen und einen Museumsführer war niemand zu sehen. »Ich denke, es ist besser, wenn wir uns setzen«, sagte sie. »Ich habe dir viel zu erzählen.« Lucy nickte erleichtert.
    Unter einem der großen Fenster, die die Wand zum Innenhof öffneten, standen mehrere Stühle. Dorthin führte Nathan die beiden Frauen.
    Miss Olive setzte sich und wandte sich Nathan zu.
    »Junger Mann, ich weiß, dass Lucy Ihnen vertraut, aber nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich nicht so leichtgläubig bin. Ich habe mit Ihrer Familie keine guten Erfahrungen gemacht. Ich würde mein Wissen gern mit Lucy teilen, denn sie ist die Hüterin. Was Lucy mit diesem Wissen macht, muss sie entscheiden, auch wie viel sie davon an Sie weitergibt. Ich würde es also vorziehen, dieses Gespräch mit ihr unter vier Augen zu führen.«
    Nathan lächelte Miss Olive höflich an. »Ich warte dort hinten«, sagte er zu Lucy. Dann sah er auf seine Uhr. »Der Palast schließt in einer halben Stunde. Ich hoffe, das genügt.«
    Miss Olive nickte und wandte sich Lucy zu.
    Nathan schlenderte die Galerie entlang und betrachtete die Gesichter der schottischen Monarchen, deren Gemälde hier aufgehängt waren. Immer wieder warf er einen Blick zu Miss Olive und Lucy, die in ein angeregtes Gespräch vertieft waren. Am Ende der Galerie lenkte er seine Schritte zurück. Die letzten Besucher hatten die Galerie bereits verlassen. Der Aufseher wippte ungeduldig auf und ab. Wahrscheinlich hoffte er, dass auch sie verschwanden, damit er Feierabend machen konnte. Nathan sah wieder auf die
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