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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen
Autoren: Marah Woolf
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dass die Bücher dies von ihr gefordert hatten. Konnte es sein, dass das die Lösung des Rätsels war, nach der sie so lange gesucht hatte?
    Sie hatte das Buch nie gefunden. Immer nur neue und wieder neue Hinweise darauf. Womöglich wollte es sich nicht finden lassen. Ihre letzte Spur hatte sie nach Frankreich zurückgeführt. An den Ort, von dem die Kinder des Bundes fortgebracht worden waren, um den Schergen des Papstes zu entgehen. Dort hatte alles begonnen. Dort war der Keim gelegt worden, dessen Saat später in Zwietracht und Kampf endete. Viel zu oft hatten die Frauen den Kürzeren in diesem Kampf gezogen. Doch es hatte immer festgestanden, dass sie in einer fernen Zukunft den Sieg über die Männer davontragen würden. War dieser Tag jetzt gekommen?
    So sehr Miss Olive es hoffte, sie vermochte es nicht zu glauben.
    Das Taxi hielt an dem gewünschten Ort. Miss Olive zahlte und stieg aus. Der prächtige Palast, Residenz der britischen Königin in Schottland, ragte vor ihr in die Höhe.
    Schweren Herzens ging sie auf den Eingang zu. Aufmerksam sah sie sich um. Trotz der späten Abendstunde gab es noch einige Touristen, die mit ihr das Schloss betraten. Miss Olive hatte weder einen Blick für den gepflegten Innenhof noch für die liebevoll restaurierten Ausstellungsräume. Eilig durchquerte sie die offiziellen Gemächer, bevor sie die Stiege zum Turmzimmer Maria Stuarts erklomm. Die Räumlichkeiten, in denen Maria mit ihrem Ehemann Lord Darnley gelebt hatte, und das Zimmer, in dem dieser ihren Sekretär David Rizzio ermordet hatte, waren die für die Touristen interessantesten Räume. Sie mussten dort einigermaßen sicher sein. Allerdings hatte auch Lord Darnley den armen Rizzio dort in aller Öffentlichkeit und vor den Augen Marias umgebracht. Womöglich war der Ort nicht so klug gewählt, dachte Miss Olive. Aber nun war es zu spät, um dies zu ändern. Sie schüttelte das Unbehagen ab, das sie erfassten wollte, und trat durch den Eingang in das Zimmer.
    Suchend sah sie sich um, konnte Lucy aber nirgendwo entdecken. Hinter ihr kam ein junger Mann ins Zimmer herein. Miss Olive schrak zusammen. Sie kannte dieses Gesicht. Die Ähnlichkeit zu Batiste war nicht zu leugnen. Das musste Nathan de Tremaine sein. Sie konnte fast ein wenig verstehen, weshalb Lucy sich zu ihm hingezogen fühlte. Auch sie war ein bisschen in Batiste verliebt gewesen, wie im Übrigen beinahe alle Studentinnen ihres Jahrgangs. Er war der attraktivste Professor am King’s College gewesen, nur knapp über dreißig Jahre alt. Es gab nicht wenige Mütter, die es gern gesehen hätten, wenn er um die Hand einer ihrer Töchter angehalten hätte. Allerdings hatte er sich für keine einzige von ihnen interessiert.
    Der Mann trat auf sie zu.
    »Miss Olive?«, fragte er höflich und neigte ein wenig den Kopf zur Begrüßung. Schwarze Augen blickten sie aufmerksam an und zögernd reichte sie ihm ihre Hand.
    »Mr. Nathan de Tremaine, nehme ich an?«
    »Der bin ich. Lucy wartet in der Galerie auf uns.«
    Miss Olive atmete erleichtert aus.
    »Weshalb?« Sie hatte die Galerie vor wenigen Minuten durchquert und Lucy nicht gesehen.
    »Sie ist verletzt, wissen Sie. Das Laufen fällt ihr schwer und ich wollte sie überreden, einen Arzt aufzusuchen. Aber sie hat darauf bestanden, sich vorher mit Ihnen zu treffen. Die Treppe hier herauf hätte sie nicht geschafft.«
    »Was ist passiert?«, fragte Miss Olive alarmiert.
    »Einer der Hunde meines Großvaters hat sie ins Bein gebissen.«
    Miss Olive blieb stehen, fasste Nathan am Arm und zwang ihn damit stehen zu bleiben.
    »Einer dieser Hunde?«, fragte sie eindringlich.
    »Sie wissen darüber Bescheid?«, fragte Nathan erstaunt.
    Miss Olive setzte ihren Weg fort. »Ich glaube, es gibt kaum etwas, das ich nicht über Ihren Großvater weiß«, sagte sie. »Hätte ich früher gewusst, dass Lucy die Hüterin ist, wäre ich nicht verreist.«
    »Sie müssen uns erklären, weshalb Sie so viel darüber wissen«, forderte Nathan.
    Abschätzend sah Miss Olive ihn an. »Ich weiß nicht einmal, ob ich Ihnen trauen kann, junger Mann.«
    »Lucy tut es«, stellte er fest.
    »Lucy ist jung«, winkte Miss Olive ab. »Jung und leicht zu beeindrucken.«
    »Glauben Sie, ich wäre mit ihr hier, wenn ich ihr Böses wollte?«
    »Die Männer des Bundes haben schon zu vielen Mitteln gegriffen, damit die Frauen ihnen zu Willen waren. Warum es nicht auch einmal mit der Liebe versuchen?«
    Nathan schmunzelte. »Sie glauben, Lucy liebt
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