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Geschwister - Liebe und Rivalitaet

Geschwister - Liebe und Rivalitaet

Titel: Geschwister - Liebe und Rivalitaet
Autoren: Horst Petri
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Spielzeug, schreit einen Jungen an, der sie schubsen will. Toll das Gefühl, einen großen Bruder zu haben! Aber auch Lisa ist nicht auf den Mund gefallen;wenn jemand sich mit Klaus anlegt, kann sie schimpfen wie ein Rohrspatz. Diese Fähigkeiten zur Auseinandersetzung und zur Durchsetzung verdanken sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Kindergruppen, in denen das Austragen von Konflikten regelrecht geübt wurde. Damit sollten gleichzeitig die Grundzüge einer sozialen Verantwortung gelegt werden. Diese wurden von Lisa und Klaus nach den Erfahrungen in der Familie mit den Jahren immer stärker verinnerlicht.
    Wie erlernt man dieses Gefühl der Verantwortung für andere konkret?
    Gemeinsam füttern und versorgen die beiden ihr Meerschweinchen und ihren Goldhamster, sie versuchen, einen Vogel gesund zu pflegen, der nicht mehr fliegen kann. Als er stirbt, sind beide sehr traurig; sie begraben ihn an einer Stelle, die sonst niemand kennt. An den folgenden Tagen gehen sie zu seinem Grab und unterhalten sich darüber, wie es ist, wenn man stirbt. Klaus meint, der Vogel wird ein Adler, Lisa besteht darauf, dass er in einen Engel verwandelt wird. Sie denkt an ihre kranke Oma. »Wird Omi auch ein Engel?« »Nein«, sagt Klaus, »die verschwindet einfach nur, und keiner weiß, wo sie ist.« »Arme Omi!« Lisa sammelt ein paar bunte Steinchen, die will sie morgen der Oma ins Krankenhaus mitnehmen.
    Was Krankheit ist, wissen die beiden schon. Klaus hatte Masern, Lisa Keuchhusten, sie waren sehr krank. Von der Mutter haben sie gelernt, wie man einen Kranken pflegt – mit Tee, Zwieback, Honig in Milch, Umschlägen und – mit Liebe. Immer wieder sind sie ans Bett des kranken Geschwisters gegangen, haben geschaut, ob das Fieber schon weg ist, haben ihm Spielsachen gebracht, Süßigkeiten, haben am Bett gesessen, sich Geschichten erzählt und versucht, den Kranken durch Clownerien zum Lachen zu bringen. Die Fähigkeit, besorgt zu sein. Ohne Klaus, ohne Lisa hätten die Krankheiten länger gedauert, und es wäre recht einsam gewesen. Diese Erfahrungwerden sie im Lauf ihres Kinderlebens noch häufiger machen. Und viel, viel später, im Alter, wird sie sich wiederholen – wenn die Liebe gehalten hat.
    Zu einem Akt der Fürsorge und der Einübung von sozialer Verantwortung und Kompetenz sind auch die vielen Rollenspiele geworden, die die beiden immer mehr begeistern, Doktorspiele, Vater-Mutter, Mutter-Kind, Vater-Kind, immer mit wechselnder Besetzung.
    Bei den Doktorspielen hält Klaus sein Ohr an Lisas Herz und hört, ob es richtig schlägt; Lisa muss Klaus einen Verband anlegen, weil er sich verletzt hat, dann messen sie gegenseitig Fieber, Klaus gibt seiner Schwester ein paar Schokolinsen als Tabletten gegen Erkältung, Lisa verschreibt Klaus Bettruhe. Manchmal kommt es auch vor, dass sie gegenseitig ihren Po untersuchen, dass sie sich beim Urinieren zusehen oder dass Lisa den Penis von Klaus berührt und Klaus Lisas Scheide. Im Alter zwischen drei und fünf Jahren erwacht bekanntlich mit der Ausdifferenzierung der eigenen Geschlechtsidentität ein intensives Interesse an allem, was mit Schwangerschaft, Geburt und Sexualität zu tun hat. So werden die Doktorspiele zum geeigneten Experimentierfeld zur Überprüfung der abenteuerlichen kindlichen Theorien über die Frage, woher die Kinder kommen. Die damit verbundene Neugier am anderen Geschlecht leitet zu lustvollen sexuellen Spielen über. Wer Doktorspiele deswegen allein auf sexuelle kindliche Wünsche zurückführen will, übersieht das weitere Erfahrungsspektrum und insbesondere die soziale Funktion der Spiele. Die Schulung der eigenen Körperwahrnehmung und die Erforschung des Körpers des anderen stehen am Anfang (wie klopft ein Herz, wie rumpelt ein Bauch, wie hört sich der Atem im Brustkorb an?). Ebenso wichtig ist die Erfahrung, Fürsorge geben und empfangen zu können. Doktorspiele dienen der symbolischen Einübung der Fähigkeit zum Mitleid. Dazu gehören diebereits erwähnten Lernschritte, wie man dem anderen bei Krankheiten, Unfällen oder Verletzungen helfen kann. Mit der häufigen Wiederholung des Spiels werden die ersten Bausteine für das spätere Gefühl sozialer Verantwortung zusammengetragen. Der »Onkel Doktor«, der den Kindern mit seinen Aufgaben nicht mehr fremd ist, wird zu einem wichtigen Identifikationsobjekt bezüglich seiner medizinischen und fürsorgerischen Funktionen, die im Spiel nachgeahmt werden.
    Dass Doktorspiele noch heute in der Regel
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