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Geschwister - Liebe und Rivalitaet

Geschwister - Liebe und Rivalitaet

Titel: Geschwister - Liebe und Rivalitaet
Autoren: Horst Petri
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Forschung dar, die Geschwister durch Direktbeobachtungen, Interviews und Fragebogenerhebungen, meist auf der Basis lerntheoretischer Konzepte, untersucht. 2 Diese Forschungsrichtung hat zahlreiche neue Einsichten über die Entwicklung der Geschwisterbeziehung in den verschiedenen Lebensabschnitten, über ihre Geschlechtsabhängigkeit, über die verschiedenen Modalitäten der Beziehung wie emotionaler Kontakt, wechselseitige Versorgung, Rivalität und Inzest und schließlich über das Sozialverhalten, die Intelligenzentwicklung und andere Persönlichkeitseigenschaften in Abhängigkeit vom familiären Umfeld geliefert. Dabei räumen Sachkenner allerdings ein, dass die Fülle der empirisch-statistischen Daten oft sehr widersprüchliche Ergebnisse zeigt und die Verschiedenartigkeit und Lebendigkeit jeder einzelnen Geschwisterbeziehung letztlich nicht erfassen kann.
    Diesem Ziel kommt der dritte Bereich wohl an nächsten, der durch psychoanalytische und familientheoretische Konzepterepräsentiert ist. 3 Die Untersuchung von Geschwisterbeziehungen basiert hier meist auf psychotherapeutischen Einzelbehandlungen oder Paar- und Familientherapien, in die Geschwister einbezogen werden. Dieser Ansatz berücksichtigt nicht nur die bewusste Dimension der Geschwistererfahrung, sondern vor allem die während der Behandlung aufgedeckte unbewusste Dynamik sowohl des einzelnen Geschwisters wie der komplexen familiären Beziehungsstruktur. Der tiefenpsychologische Zugang zum Verständnis von Geschwisterbeziehungen wird durch einen systemischen Ansatz erweitert, der jedes Familienmitglied als Teil eines Gesamtsystems begreift. Die Ergänzung von psychoanalytischen und familientheoretischen Konzepten und ihre praktisch-therapeutische Anwendung ist ganzheitlich orientiert und ermöglicht somit die größtmögliche »Aufklärung« geschwisterlicher Beziehungen.
    Im vierten Bereich lassen sich, etwas willkürlich, alle Arbeiten zusammenfassen, die das Geschwisterthema unter einem speziellen Blickwinkel behandeln. Hierzu zählen Exkurse in die Mythologie, Märchenwelt und Literatur, Biografien berühmter Geschwisterpaare, anthropologische, biologische und gesellschaftliche, die Familie übergreifende Aspekte der Geschwisterlichkeit, der erzieherische Umgang mit Geschwisterkonflikten sowie spezielle Geschwisterkonstellationen und -ereignisse wie
nur
Schwestern,
nur
Brüder, Zwillinge, Adoptiv-, Pflege-, Halb- und Stiefgeschwister, das Leben mit einem schwer kranken Geschwister oder einem Elternteil und schließlich der Tod eines Geschwisters. 4
    Der Überblick zeigt eine breite Palette von Forschungsansätzen zum Thema Geschwisterbeziehung, ohne deren Kenntnis das vorliegende Buch nicht entstanden wäre. Unentbehrlich war mir dabei aber auch meine lange Berufserfahrung als Kinderpsychiater und Psychoanalytiker. Auch wenn ich im Text nur vereinzelt auf konkrete Beispiele aus meiner Praxis zurückgreife,weil mich hier ausschließlich der allgemeine und nicht der klinische Aspekt beschäftigt, liefert dieser Hintergrund einen prägenden Bestandteil meiner Auffassung der Geschwisterbeziehung. Alles theoretische Wissen und die beruflichen Kenntnisse scheinen mir jedoch begrenzt, wenn man nicht über die lebensgeschichtliche Erfahrung verfügt, selbst ein Geschwister zu sein, und wenn man nicht die Entwicklung einer Geschwisterbeziehung aus großer Nähe und von Beginn an bei den eigenen Kindern verfolgen konnte.
    Das Buch beansprucht nicht, ein auch nur annähernd vollständiger Abriss über die Geschwisterbindung zu sein. Viele Aspekte wurden bewusst ausgeklammert. Geleitet von der Ausgangsfrage: »Geschwisterliebe, was ist das überhaupt?«, gilt sein zentrales Anliegen der »Entdeckung« ebendieser Liebe. Davon handelt der erste Teil des Buches.
    Der zweite Teil untersucht die Ursachen für die Entwicklung negativer Gefühle, die sich der Geschwisterliebe in den Weg stellen und ihre Stabilität bedrohen. Die Kenntnis dieser Widerstände ist notwendig, um die positiven Beziehungsanteile wiederzuentdecken und lebendig leben zu können. Deswegen schließt dieser Teil mit einem Kapitel über die gemeinsamen Möglichkeiten der Versöhnung. Der »Ausblick« skizziert die Bedeutung der Geschwisterliebe in ihrer historischen und gesellschaftlichen Dimension. In einer Zeit, in der die Entfremdung zwischen den Menschen wächst und in der der Einzelne sich selbst fremd wird, kann die Geschwisterliebe als früh verinnerlichte Erfahrung der Nähe und
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