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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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Goodall leise, als ich in den  Explorer stieg.
    »Hallo.«
    Sasha legte den Rückwärtsgang ein, und ich schnallte mich an.
    Unter dem Mützenschirm hindurch betrachtete ich das Haus beim Zurücksetzen und fragte mich, wie es mir wohl vorkommen würde, wenn ich es das nächste Mal sah. Ich hatte die Vorstellung, sollte mein Vater diese Welt verlassen haben, würden alle Dinge, die ihm gehört hatten, schäbiger und nichtswürdiger aussehen, weil sein Geist sie nicht mehr berührte.
    Das Haus ist ein Gebäude der Craftsman-Periode in der Greene&Greene-Tradition: große Steinplatten mit einem Minimum an Mörtel, von Wetter und Zeit silbern gefärbte Zedernverkleidungen, absolut modern in seinen Linien, aber nicht im geringsten gekünstelt oder gegenstandslos, völlig erdverbunden und beeindruckend. Nach den jüngsten Winter-regen wurden die scharfen Kanten des Schieferdachs von einer grünen Tagesdecke aus Flechten gedämpft.
    Als wir rückwärts auf die Straße setzten, glaubte ich zu sehen, daß die Jalousie an einem der Wohnzimmerfenster, ganz am Ende der tiefen Veranda, zur Seite geschoben wurde und Orsons Schnauze hinter der Scheibe erschien. Er hatte die Pfoten auf die Fensterbank gelegt.
    »Wie lange ist es her«, fragte Sasha, als sie Gas gab und losfuhr, »daß du so früh wie jetzt draußen gewesen bist?«
    »Bei Tageslicht? Gut neun Jahre.«
    »Eine Novene der Dunkelheit.«
    Songschreiberin war sie auch noch.
    »Verdammt, Goodall«, sagte ich, »schmalz mich nicht mit Versen ein.«
    »Was ist vor neun Jahren passiert?«
    »Blinddarmentzündung.«
    »Ach ja. Damals, als du fast gestorben wärst.«
    »Nur der Tod bringt mich bei Tageslicht hinaus.«
    »Wenigstens hast du eine sexy Narbe davon zurückbehalten.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Ich küsse sie doch gern, oder?«
    »Darüber habe ich mich schon gewundert.«
    »Eigentlich macht sie mir angst, diese Narbe«, sagte sie. »Du hättest sterben können.«
    »Ich bin aber nicht gestorben.«
    »Ich küsse sie, als würde ich ein kleines Dankgebet sprechen. Daß du hier bei mir bist.«
    »Vielleicht erregen dich auch nur Verunstaltungen.«
    »Arschloch.«
    »Deine Mutter hat dir solche Ausdrücke bestimmt nicht beigebracht.«
    »Das waren die Nonnen in der Klosterschule.«
    »Weißt du, was mir gefällt?« sagte ich.
    »Wir sind jetzt seit fast zwei Jahren zusammen. Ja, ich glaube, ich weiß, was dir gefällt.«
    »Daß du nie besondere Rücksicht auf mich nimmst.«
    »Warum sollte ich?« sagte sie.
    »Genau.«
    Selbst in meinem Panzer aus Stoff und Sonnenschutzcreme, hinter den Gläsern, die meine empfindlichen Augen vor ultravioletten Strahlen abschirmten, nervte mich das Tageslicht um mich herum. Ich kam mir in seinem Schraubstockgriff zerbrechlich wie ein Ei vor.
    Sasha war sich meines Unbehagens bewußt, tat aber so, als würde sie es nicht bemerken. Um mich sowohl von der Bedrohung als auch von der grenzenlosen Schönheit der sonnenbeschienenen Welt abzulenken, tat sie das, worin sie so  gut ist, nämlich – Sasha zu sein.
    »Wo geht’s später hin?« fragte sie. »Wenn es vorbei ist?«
    »Falls es vorbei ist. Vielleicht irren sie sich ja.«
    »Wo bist du, wenn ich dann auf Sendung bin?«
    »Nach Mitternacht… wahrscheinlich bei Bobby.«
    »Sorg dafür, daß er das Radio einschaltet.«
    »Nimmst du heute abend Hörerwünsche entgegen?« fragte ich.
    »Du mußt nicht anrufen. Ich weiß, was du brauchst.«
    An der nächsten Ecke bog sie nach rechts ab, auf die Ocean Avenue. Sie fuhr hügelaufwärts, fort von der See.
    Vor den Geschäften und Restaurants hinter den breiten Bürgersteigen breiteten haushohe Pinien Schwingen aus Ästen über die Straße aus. Der Gehsteig war mit Schatten und Sonnenschein gefiedert.
    Moonlight Bay, Heimat von zwölftausend Menschen, erhebt sich vom Hafen und dem flachen Ufer zu sanften, dicht gestaffelten Hügeln. In den meisten kalifornischen Reiseführern wird unsere Stadt als »Juwel der Küste Mittelkaliforniens« bezeichnet, teilweise auch, weil die Industrie- und Handelskammer unablässig Ränke schmiedet, um diesen Spitznamen durchzusetzen.
    Die Stadt hat sich den Namen jedoch aus vielen Gründen verdient, nicht zuletzt wegen unseres Reichtums an Bäumen. Majestätische Eichen mit hundert Jahre alten Kronen. Pinien, Zedern, Dattelpalmen. Tiefe Eukalyptushaine. Meine Lieblingsbäume sind die filigranen melaleuca luminaria, die im Frühjahr mit Stolen aus Hermelinblüten behangen sind.
    Aufgrund unserer Beziehung
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