Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
töricht.
    Sollte ich jemals erblinden, wäre ihr Gesicht ein Anblick gewesen, der mich in der ewigen Schwärze aufrecht hielte.
    Ich lehnte mich über die Konsole und küßte sie.
    »Du riechst nach Kokosnuß«, sagte sie.
    »Ich versuche es.«
    Ich küßte sie noch mal.
    »Du solltest nicht noch länger draußen bleiben«, sagte sie bestimmt.
    Die Sonne, die in einer halben Stunde über dem Meer untergehen würde, strahlte orange und intensiv, ein immerwährender thermonuklearer Holocaust, hundertfünfzig Millionen Kilometer entfernt. An einigen Stellen erinnerte der Pazifik an geschmolzenes Kupfer.
    »Auf, Kokosnußjunge. Fort mit dir.«
    Eingehüllt wie der Elefantenmensch stieg ich aus dem Explo rer und ging schnurstracks zum Krankenhaus, die Hände tief in die Taschen der Lederjacke geschoben.
    Ich schaute noch einmal zurück. Sasha sah mir nach. Sie hob eine Hand und hielt den Daumen nach oben.

3
    Als ich das Krankenhaus betrat, wartete Angela Ferryman, eine der Schwestern, die im zweiten Stock Nachtschicht hatten, bereits im Gang auf mich. Sie war heruntergekommen, um mich abzuholen.
    Angela war eine sanftmütige, hübsche Frau Ende vierzig: fürchterlich dünn und seltsam blaß, als wäre ihre Hingabe an den Beruf so heftig, daß sie unter den harten Bedingungen eines Pakts mit dem Teufel einen Teil ihrer eigenen Substanz abgeben mußte, um die Erholung ihrer Patienten zu gewährleisten. Ihre Handgelenke kamen mir viel zu zerbrechlich für ihre Arbeit vor, und sie bewegte sich so behende und schnell, daß man sich durchaus vorstellen konnte, ihre Knochen wären hohl wie die eines Vogels.
    Sie schaltete die indirekte Deckenbeleuchtung aus. Dann umarmte sie mich.
    Als ich die Krankheiten der Kindheit und Pubertät durchlitten hatte – Mumps, Grippe, Windpocken –, aber nicht ungefährdet außerhalb unseres Hauses behandelt werden konnte, war Angela die Krankenschwester gewesen, die täglich nach mir gesehen hatte. Ihre ungestümen, knochigen Umarmungen waren so typisch und wesentlich für ihre Arbeit wie Zungenspatel, Thermometer und Spritzen.
    Trotzdem machte diese Umarmung mir mehr angst, als sie mich tröstete, und ich sagte: »Ist er…?«
    »Schon in Ordnung, Chris. Er hält noch durch. Nur für dich, glaube ich.«
    Ich ging ein Stück weiter zur Feuertreppe. Als die Tür des Treppenhauses sich hinter mir schloß, sah ich, daß Angela das Licht im Parterrekorridor wieder einschaltete.
    Das Treppenhaus war nicht so gefährlich hell erleuchtet. Trotzdem stieg ich es schnell hinauf und nahm die Sonnenbrille nicht ab.
    Am oberen Absatz der Treppe, im Korridor des zweiten Stocks, wartete Seth Cleveland. Er ist der Arzt meines Vaters und auch einer meiner Ärzte. Obwohl er groß ist und Schultern hat, die so breit und rund wirken, daß man sie in einem der Loggiabögen des Krankenhauses einkeilen könnte, gelingt es ihm, sich nie bedrohlich vor einem aufzubauen. Er bewegt sich mit der Anmut eines viel kleineren Mannes, und seine Stimme ist die eines sanften Bären aus einem Märchen.
    »Wir geben ihm etwas gegen die Schmerzen«, sagte Dr. Cleveland und schaltete die Neonbeleuchtung unter der Decke aus, »deshalb kommt er immer wieder zu sich, versinkt dann aber wieder in Bewußtlosigkeit. Jedesmal, wenn er zu sich kommt, fragt er nach dir.«
    Ich nahm endlich die Brille ab, steckte sie in meine Hemdtasche und eilte den breiten Gang entlang, vorbei an Zimmern, in denen sich Patienten mit allen möglichen Leiden befanden, in allen Krankheitsstadien; entweder lagen sie ruhiggestellt da, oder sie saßen vor den Bettabletts mit dem Abendessen. Diejenigen, die die Lampen im Gang erlöschen sahen, kannten den Grund dafür und hielten beim Essen inne, um mich anzustarren, als ich an den offenen Türen vorbeiging.
    In Moonlight Bay bin ich eine Berühmtheit, gegen die man sich sträubt. Von den zwölftausend Einheimischen und den fast dreitausend Studenten des Ashdon College, einer privaten geisteswissenschaftlichen Universität, die auf der höchsten Erhebung der Stadt liegt, bin ich vielleicht der einzige, den alle dem Namen nach kennen. Obwohl mich wegen meines nächtlichen Lebens noch nicht jeder meiner Mitbürger gesehen hat.
    Als ich durch den Korridor ging, riefen mich die meisten der Schwestern und Schwesternhelferinnen beim Namen oder streckten die Hand aus, um mich zu berühren.
    Ich glaube, sie fühlten sich mir nicht so nahe, weil meine Persönlichkeit irgend etwas besonders Gewinnendes hat, und auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher