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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft
Autoren: Robert Goddard
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über seine Gerissenheit lächeln. Die Peinlichkeit, sich selbst vorstellen zu müssen, wog offenbar nichts gegen den Nachteil, im Schatten meines blendenden Aussehens erscheinen zu müssen. Aber der Abend war noch jung. Es bestand kein Grund anzunehmen, dass Max mich auch weiterhin ausmanövrieren würde.
    Die Suite der Charnwoods war eine der größten auf dem Schiff. Als ich ankam, waren angenehmerweise bereits viele Leute da. Die Sonne schien durch die Backbordfenster auf die schnatternden Partygäste. Nach einem Spießrutenlauf durch die Champagner- und Appetithäppchentabletts schwenkenden Stewards erreichte ich schließlich die ältere Miss Charnwood, die in ihrem tiefausgeschnittenen pink farbigen Satinkleid noch gewaltiger wirkte als in ihrem engen Tweed. »Mr. Horton!« rief sie aus. »Sie sind also doch gekommen. Das freut mich sehr.«
    »Es gab niemals den geringsten Zweifel daran, dass ich kommen würde, Miss Charnwood.«
    »Aber Ihr Freund, Mr. Wingate, hatte angedeutet, dass Sie möglicherweise irgendwo aufgehalten würden.«
    »Tatsächlich?«
    »Vielleicht habe ich ihn ja missverstanden. Ist auch nicht wichtig. Diana wird ja so erfreut sein, Sie kennenzulernen. Sie ist... oh... im Moment auf dem Balkon, glaube ich. Ich möchte Sie zuerst einigen Gästen vorstellen.« Sie wedelte mit der Hand einem bärtigen Mann ungefähr ihres Alters und einer schüchternen Person zu, von der ich annahm, dass sie seine Frau war. »Wir sind Mr. und Mrs. Preece das erste Mal bei den Niagarafällen begegnet. Dann wieder in unserem Hotel in Quebec. Mr. Preece ist Esperantoexperte. Er hat mir gerade alles darüber berichtet.«
    Ich hatte nicht die Absicht, Preece zu gestatten, mir irgendetwas zu erzählen, geschweige denn etwas über Esperanto. Deshalb entschlüpfte ich ihm, einige Sekunden nachdem Miss Charnwood dasselbe gelungen war. Überflüssig zu sagen, dass der Balkon mein Ziel war.
    Dort, wo die frische Meeresbrise den Lärm und die Hitze im Inneren der Suite linderte, hielt Diana Hof. Sie war von jungen und älteren Bewunderern umringt, die breitschultrig versuchten, Hinzukömmlinge auszuschließen. Max war ebenfalls dabei. Verkrampft und angespannt von kaum kaschierter Rivalität, bemühten sie sich, die Bemerkungen der anderen zu übertrumpfen. Ich kannte solche Szenen von Partys in New York, auf denen sich ein Hollywood-Starlet die Ehre gegeben hatte. Und ich war klug genug, mich nicht dem Pulk anzuschließen. Wenn man bei solchen Gelegenheiten zu spät kommt, hat man schon verloren. Es war besser, hoffnungsvoll herumzulungern, vielleicht sogar geheimnisvoll zu wirken. Und genau darum bemühte ich mich und zog mich ans andere Ende des Balkons zurück, wo ich das Objekt der allgemeinen Aufmerksamkeit beobachten konnte.
    Sie war wunderschön. Man konnte nichts anderes behaupten. Ihr langes braunes Haar war aus ihrem klaren und offenen Gesicht zurückgekämmt und zu einem Zopf gebunden. Normalerweise hat jedes Gesicht, wie schön es auch sein mag, einen Fehler, zum Beispiel etwas zu dünne Lippen oder einen zu starken Kiefer, was die Perfektion vermindert. Doch nicht bei Diana. Ihre Augen, die im Sonnenlicht funkelten, ihr Mund, dessen Lippen sich zu einem leichten Lächeln öffneten, der Hals, den sie gelangweilt streckte: all dies trug zu der Faszination bei, die sie ausstrahlte.
    Sie trug ein schlichtes, elegantes ultramarinblaues Kleid, einen Topasanhänger und eine dünne Goldkette an ihrem linken Handgelenk. Eigentlich war dieser Schmuck überflüssig, und die Leichtigkeit, mit der sie sich gab, ließ vermuten, dass sie es wusste. Sie war höflich und liebenswürdig, aber doch zurückhaltend. Ihre unaufdringlichen, aber häufigen Blicke aufs Meer hinaus deuteten an, dass die Gesellschaft, wie geistreich und schmeichelhaft sie auch sein mochte, längst nicht an das heranreichte, was sie verdiente. Ob Max sich besser hielt als die anderen, vermochte ich nicht zu sagen, aber es bestand kein Zweifel daran, dass er wesentlich besser abschnitt als ich.
    Ich überlegte gerade, ob ich versuchen sollte, ihn zu verdrängen, als der widerliche Faraday auf dem Balkon erschien und mich sofort in Beschlag nahm.
    »Wusste gar nicht, dass Sie mit den Charnwoods bekannt sind, Mr. Horton«, versetzte er lächelnd.
    »Gleichfalls, Mr. Faraday.«
    »Oh, ich habe der älteren Miss Charnwood während ihres Aufenthaltes in Quebec einige kleinere Dienste erwiesen.« »Welche Art Dienste?«
    Er tippte sich gegen die Nase und
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