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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition)
Autoren: Sandy Kien
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    D er achtsitzige Reisebus rollte im gleichmäßigen Tempo über den Trans Canada Highway. Es schien, als wäre die Straße einst mit einem mächtigen Bulldozer einfach in die Natur planiert worden. Links und rechts erstreckte sich die Natur mit einem durchzackten, gewaltigen, schneebedeckten Gebirgsmassiv. Dichter Wald wechselte mit kleinen Lichtungen und ausladendem Wiesengrund. Es war Spätsommer, eigentlich schon fast Herbst, aber das Wetter ließ einfach nicht zu, den Sommer wirklich zu vergessen. Die Sonne strahlte von einem dunkelblauen Himmel herab und die hohen, bereits verfärbten Bäume warfen dunkle Schatten über die Straße.
    Die Stimmung der sechs jungen Leute im Fahrzeug war seit der Landung in Vancouver ausgelassen, fröhlich und neugierig. Voller Erwartung streckten sie ihre Nasen in die neue Luft, die neue Welt, jene, in der man eine andere Sprache sprach, in der sie sich neu anzupassen hatten, und die viele neue Abenteuer bringen sollte. Schon am Flughafen waren sie auf erste Probleme gestoßen, als Christina, ein vierzehnjähriges, blondes Mädchen auf englisch nach einer Toilette fragen wollte, und einfach keine Vokabeln fand, obwohl sie die Sprache eigentlich gut beherrschte. Zu neu war alles, viel zu aufregend. Gott sei Dank war Patrick dabei, der die englische Sprache für Christinas Begriffe wirklich perfekt beherrschte und ihr aushalf. Nur ganz kurz schimpfte sie sich selbst einen Hornochsen. Ausgerechnet jetzt wollte ihr die fremde Sprache, die sie eigentlich mochte, nicht einfallen. Aber woher hätte sie auch wissen sollen, dass sie mit Vierzehn München verlassen und drei Wochen lang in die Wildnis Kanadas fliegen würde. Und das ohne Eltern! Na, eigentlich war dieses „ohne Eltern“ das geringste Problem. Ihre Eltern hatten sie bisher in ihrem Leben nur behindert. Tu dies nicht, mach jenes nicht, das ist verboten, das sollst du nicht sagen, das schickt sich nicht, benimm dich anständig, PC Verbot, nachdem sie beim Rauchen erwischt worden war, und vor gut einem halben Jahr hatte sie sich bei einer Party abfüllen lassen und war erst im Krankenhaus wieder wach geworden. Mann, war ihr schlecht gewesen. Ihr Kopf, als hätte man eine Bowlingkugel dagegen geknallt, dann die Eltern und ähhh, die Therapeutin. Stundenlang hatte man ihr ins Gewissen gequatscht. Ein völlig nutzloses Unterfangen. Sie hatte noch nicht mal richtig hingehört.
    Einen Monat später, ein ähnliches Fiasko. Wieder ein Krankenhausaufenthalt wegen einer Alkoholvergiftung. Damals musste sie in eine geschlossene Anstalt übersiedeln. Furchtbar. Eltern waren nichts gegen die strengen Regeln einer Klapsmühle.
    Kaum wieder zuhause, war sie mit ihrer Mutter aneinandergeraten, hatte ihr eine gescheuert. Nein, sie wollte sich nichts mehr befehlen lassen, sondern in Ruhe gelassen werden. Jetzt war sie hier. Zusammen mit fünf anderen Kids, die diese Reise in München angetreten hatten, weil sie auffielen, einfach irgendwie anderes waren, als alle anderen. Sie sollten drei lange Wochen auf einer kanadischen Farm verbringen, fern von Alkohol, Partys, Rauchen, Feiern und das Leben in vollen Zügen genießen. Rundum nur Wildnis. Christina hatte vorgehabt, sich nicht von ihren Eltern in München zu verabschieden, doch die Vorfreude, dieses Kribbeln in den Fingern, das Erdbeben im Körper … Sie würde allein verreisen, weit weg, auf einen anderen Kontinent. Es würden Aufgaben auf sie alle warten, neue Erlebnisse, und sie war mächtig neugierig. Aber zugegeben hätte sie das nie.
    Christina blickte aus dem Fenster und konnte den Schatten des Pick Ups erkennen, der hinter dem Bus herfuhr. Eigentlich waren sie gar nicht zu sechst, sondern zu siebt. Vier Mädchen und drei Jungs. Doch dieses eine Mädchen, jene, die eine weite Jacke trug und die Kapuze so weit ins Gesicht gezogen hatte, dass man nichts erkennen konnte, schien ihnen allen aus dem Weg zu gehen und hatte sich nicht angeschlossen. Sie wurde im Pick Up chauffiert. Schnödes Weib. Vielleicht glaubte sie, etwas Besseres zu sein. Möglicherweise waren ihre Eltern stinkreich und hatten für sie eine Sonderbehandlung mitgekauft. Na, die würde sich noch wundern. Sollte sie wirklich ein verhaltenstechnisches Spezialpaket mitgepachtet haben, würde Christina ihr die drei Wochen vermiesen, soweit es nur ging.
    Aufseufzend lehnte sie sich wieder zurück. Vancouver hatten sie schon vor Stunden verlassen. Auch die Stadt „Hope“ lag bereits hinter ihnen. Irgendwo hatte sie
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