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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft
Autoren: Robert Goddard
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Diamanten kann man schleifen, wenn man ein Händchen dafür hat - und die passende Ausrüstung. Und ich würde sagen, wir haben beides, findest du nicht?«
    »Ich würde sagen, unsere Vergangenheit spricht für sich.« Wir lächelten uns verschworen an und erinnerten uns an all die Dinge, von denen wir besser nicht sprachen. Als der Steward mit dem Papier zurückkam, holte Max seinen Füllfederhalter heraus, beugte sich über den Tisch neben uns und begann, auf ein Blatt zu schreiben, nachdem er mir das andere gereicht hatte.
    Ich zögerte einen Moment, starrte auf den geprägten Briefkopf und ließ dann meinen Blick über das Wasserzeichen darunter wandern. Max hatte von Schuldscheinen gesprochen, die wir jetzt als Glücksbringer austauschen wollten. Mir kamen sie schon da eher als Vorboten des Unheils vor. Ob das daran lag, dass wir nach sieben Jahren nun wieder in unsere eigenen Fußstapfen traten, oder daran, dass ich ganz allgemein schlimme Vorahnungen hatte, vermag ich nicht mehr zu sagen. Was auch der Grund war, ich hatte jedenfalls noch kein Wort geschrieben, als Max mir seinen Bogen Papier in den Schoß warf und verkündete: »Das sollte reichen, denke ich.«
    Hiermit verspreche ich, mit meinem guten Freund Guy Randolph Horton alle finanziellen Gewinne zu teilen, die sich wie auch immer aus einer Verlobung und/oder einer vollzogenen Heirat ergehen, die ich mit Miss Diana Charnwood eingehe, falls es dazu kommen sollte.
    M. A. Wingate 19. Juli 1931
    Natürlich hatte dieses Dokument keinerlei rechtliche Bedeutung. Keiner von uns beiden war an das gebunden, was er da schrieb. Es würde nur etwas dabei herauskommen, wenn unsere Freundschaft mehr war als eine Allianz aus finanziellen Erwägungen. Und deshalb, so vermute ich, zögerte ich damit, diese Worte dem Papier anzuvertrauen. Es waren harte Zeiten, das wussten wir alle. Man konnte nicht vorhersagen, welches Unglück uns zu welchen Opfern überreden würde, die wir dem Erfolg darbringen müssten. Wir hatten keinerlei Skrupel gehabt, Dick seinem Schicksal zu überlassen. Würden wir im Zweifelsfall untereinander loyal sein? Es war eine Frage, die ich lieber nicht beantwortete, aber Max mit seiner Vorliebe für schriftlich fixierte Abmachungen hatte sein Urteil bereits gefällt.
    »Vielleicht ist es überflüssige Mühe«, protestierte ich vergeblich. »Möglicherweise ist Miss Charnwood unserem Charme gegenüber ja unzugänglich.«
    »Dann kannst du deine Kopie über Bord werfen. Und ich werde dasselbe mit meiner tun - vorausgesetzt, dass ich jemals eine in die Hand bekomme.« Unsere Blicke begegneten sich. »Was hält dich auf?«
    »Nichts.« Also schrieb ich. Max und ich dinierten an diesem Abend an getrennten Tischen, um unsere Chancen zu verdoppeln, weitere vielversprechende Bekanntschaften unter unseren wohlhabenden Reisegefährten zu machen. Ich musste während unzähliger Gänge einen ungebildeten Holzmillionär aus Neufundland mit seiner monströsen Gattin ertragen, eine Schauspielerin der ungehemmten Schule und ihren kummervollen Ehemann, eine rätselhafte polnische Contessa, den Schiffsarzt, der einmal beinah hätte in Aktion treten müssen, als Mylady Holzhändler einen Erstickungsanfall bekam, und den zurückhaltenden, aber aufmerksamen Mr. Faraday.
    Faraday macht mir heute in der Rückschau mehr Sorge als damals. Eingelullt von gutem Wein und exzellentem Service, entging mir, dass er dasselbe Spiel spielte wie ich: dem enthüllenden Geplapper der anderen zuzuhören und dabei so gut wie nichts von sich selbst zu verraten. Er war ungefähr fünfzig, kleinwüchsig und schmächtig, mit kurzen, schwarzen Haaren, einem Schnurrbart, einem sehr beweglichen Mund, der selbst dann noch eine Delikatesse zu genießen schien, wenn er leer war, einem kaum merklichen Zittern des Kopfes, wenn er sich auf das konzentrierte, was gesagt wurde, und, was mich am meisten störte, einem feuchten und durchdringenden Blick. Er schien nie zu zwinkern. Seine Manieren waren untadelig, seinen Bemerkungen konnte man nicht widersprechen, und dennoch mochte ich Mr. Faraday nicht. Genauer gesagt, ich wurde nicht schlau aus ihm. Schlimmer noch, ich hatte das beunruhigende Gefühl, dass er mich nur allzu gut durchschaute. Ich beschloss, ihm für den Rest der Reise aus dem Weg zu gehen.
    Von Miss Charnwood oder ihrer Nichte war nichts zu sehen. Entweder dinierten sie später oder in ihrer Suite. Vielleicht hatte die hartherzige Diana entschieden, ihr gesellschaftliches Debüt zu
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