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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft
Autoren: Robert Goddard
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verlassen hatte, konnte ich mich nicht mehr der reinen Muße überlassen, weil ich immer den Verdacht hegte, ich verschwendete dabei eher meine Zeit als die von jemand anderem. Ich fragte mich immer unweigerlich, wo der Profit dabei war und wo die günstige Gelegenheit.
    Ich wusste, dass Max genauso dachte, und war sehr zufrieden mit mir, als ich an diesem Abend von meiner Kabine hinauf schlenderte, um mich mit ihm zu treffen. Miss Charnwoods Party mochte sich möglicherweise als die trübseligste Pleite herausstellen, vielleicht aber auch nicht. Der Schlüssel vieler unserer Erfolge war diese Unvorhersagbarkeit, und ich wollte nicht den Glauben daran verlieren. Ich trat auf das Promenadendeck hinaus, sog tief die sonnengereinigte Luft der Zuversicht der Neuen Welt ein und machte mich dann auf, meinen Freund damit anzustecken.
    Diese Infektion hatte er dringend nötig. Er thronte in einem abgelegenen Winkel des orientalisch eingerichteten Salons, von wo aus er seine Mitpassagiere mit mürrischer Gleichgültigkeit betrachtete, während diese verwundert auf die schwarzen Kissen und das exotische Dekor starrten. Dicks Verhaftung schien ihm ziemlich zuzusetzen, mehr jedenfalls, als ich es für angemessen hielt. Der Wall-Street-Crash hatte die Babcocks gezwungen, hart am Wind zu segeln, und wir waren mit ihnen gesegelt. Das Ergebnis hätte noch viel schlimmer ausfallen können, vor allem, wenn Max nicht darauf bestanden hätte, unseren Profit auf einer Bank in Toronto anzulegen. Dennoch schien seine Vorsicht ihn nicht im Geringsten zu trösten.
    Vielleicht war sein Alter das Problem. Max war zwar nur ein paar Monate älter als ich, aber in den letzten Jahren war sein Haar dünner und seine Taille dicker geworden, so dass man ihn leicht für zehn Jahre älter als mich hätte halten können. Er trank zwar nur wenig mehr als ich, schien es jedoch wesentlich schlechter zu vertragen. Manchmal waren seine Gedanken und Worte seltsam vage und sein Blick leer. Er klagte häufig über Migräne, und ich musste an die Kopfverletzung denken, die er in Mazedonien erlitten hatte. Natürlich hatte ich meinen Verdacht über einen Zusammenhang nie ausgesprochen, so dass ich nicht in Erfahrung bringen konnte, ob er dieselbe Befürchtung hegte. Was auch der Grund war, er war jedenfalls nicht mehr der unbesorgte Max, mit dem ich vor sieben Jahren den Atlantik überquert hatte.
    Zweifellos hätte er ähnliches auch über mich sagen können. Wenn ich jedoch mein Spiegelbild auf dem Weg durch das Schiff betrachtete, stellte ich eindeutige Unterschiede fest. Mein Haar war immer noch dunkel und kräftig, mein Gesicht nicht so gezeichnet, ich war schlank und elegant gekleidet. Es gab keinerlei Anzeichen körperlichen Verfalls, kein Signal für innere Zweifel. Ich war das, was die Welt mit meiner Einwilligung aus mir gemacht hatte: ohne Zweifel oberflächlich und egoistisch, aber welcher gutaussehende Realist ist das nicht?
    »Du siehst ein wenig niedergeschlagen aus, alter Knabe«, bemerkte ich, während ich Max auf seinem Sofa Gesellschaft leistete.
    Er lächelte bedauernd. »Ich werde schon darüber hinwegkommen!«
    »Ich weiß. Und ich habe mir auch das perfekte Stärkungsmittel ausgedacht. Oder vielleicht sollte ich lieber sagen, es wurde mir präsentiert.« Die Ankunft eines Stewards zwang mir an diesem Punkt eine dramatische Pause auf. Ich entschied mich für einen Cocktail, und Max bestellte seinen - schätzungsweise - dritten Scotch mit Soda. Als ich ihm die Neuigkeiten erzählte, war seine erste Reaktion unverhohlene Enttäuschung.
    »Eine frostige alte Lady und ihre schlichte Nichte? Klingt furchtbar.«
    »Vielleicht. Aber Miss Charnwood ist eindeutig nicht gerade knapp bei Kasse.«
    »Wer an Bord dieses Schiffes ist denn schon...« Er brach ab und starrte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wie ist ihr Name?«
    »Charnwood. Miss Vita Charnwood.«
    »Und der der Nichte?«
    »Ehm...« Ich versuchte krampfhaft, mich zu erinnern.
    »Diana?«
    »]a, so lautete er. Woher weißt du...?«
    »Ha!« Er schlug mir aufs Knie und grinste breit. »Du hast recht, Guy. Uns lächelt wieder das Glück.«
    Der Steward tauchte mit unseren Drinks auf und unterbrach ihn. Dann musste ich erst auf unser Glück anstoßen, bevor Max geruhte, sich zu einer Erklärung herabzulassen.
    »Hast du noch nie von Diana Charnwood gehört?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Du solltest die Klatschspalten lesen. Das habe ich dir oft genug erzählt.«
    »Du tust das doch
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