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Geschichte des Gens

Geschichte des Gens

Titel: Geschichte des Gens
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Jahrhunderts vorgelegt und später immer wieder ergänzt und verfeinert.
    Der Ansatz bei den Rekombinationsfrequenzen funktionierte, weil sich im Lichtmikroskop längst auch der dazugehörige Mechanismus zu erkennen gegeben hatte. Schon 1895 - im Jahr, in dem auch die Röntgenstrahlen entdeckt wurden - bemerkte man, dass die Chromosomen, die 1888 ihren Namen bekommen hatten, ihre Identität während einer Zellteilung behielten. Man konnte ab 1904 genau verfolgen, wie sich Chromosomen paarweise nebeneinander legen, sich überkreuzen (Crossing-over) und ganze Abschnitte austauschen. Nun können Überkreuzungen dieser Art an zwei oder mehreren Stellen innerhalb ein und desselben Chromosoms auftreten, was rasch un-übersichtliche Resultate zur Folge hat. Tatsächlich ist das Kreuzen und Analysieren von rekombinanten Lebensformen und das damit mögliche Aufstellen von Genkarten ein höchst schwieriger Prozess, der viel Geduld und Geschicklichkeit verlangt. Aber hier geht es nur um das Prinzip des Vorgangs, bei dem Gene in Relation zueinander gebracht und ihr Abstand voneinander bestimmt werden sollten. Dies ist in Abbildung 3 dargestellt. Die Einheit, in der genetische Karten heute angelegt sind, wird zu Ehren von Morgan als »Zentimorgan« bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit der Rekombination von einem Prozent (1% Crossing-over) wird als Abstand von einem Zentimorgan aufgetragen.
    Als Sturtevandt und die anderen Mitarbeiter von Morgan in ihrem Fliegenraum mit dem Anfertigen von Genkarten begannen, konnte niemand ahnen, dass die Gene alle perfekt hintereinander liegen und auch nicht die kleinste Abweichung oder Verzweigung zu finden ist. Dank dieser glücklichen Fügung kamen die Genetiker mit der von ihnen angewandten Methode sehr gut und rasch voran, und bald kannten Morgan und sein Team nahezu sämtliche Gene und deren Positionen, die sich auf diese Weise ermitteln ließen. Je besser sie dabei zurechtkamen, desto deutlicher wurde, dass ihnen eine Sache nicht nur verborgen, sondern völlig schleierhaft blieb - wie Morgan selbst zugab, als ihm 1933 der Nobelpreis Medizin (Physiologie) verliehen wurde: Es war die Natur des Gens oder »die Natur des Prozesses, der zu Mutationen führt.« Er sah es als Aufgabe für die Zukunft an, die physikalischen und physiologischen Vorgänge, die zum Wachstum der Gene und zu ihrer Verdopplung gehören, zu verstehen. Er verlangte nach einer »physikalischen Deutung dessen, was mit den Chromosomen passiert, wenn es zur Rekombination kommt.«
    Um diese Aufgaben zu lösen, mussten sich andere Wissenschaftler mit den Genen befassen als die klassischen Genetiker, die mit dem Auge erkennbare Mutanten suchten und sie kreuzten, um Genpositionen zu bestimmen.
    Abb. 2: Eine genetische Karte von Drosophila aus dem Jahre 1922 mit den dazugehörigen Chromosomen. Es ist gar nicht nötig, alle Bezeichnungen der genetischen Karte im Detail zu erläutern: Sie macht sofort deutlich, dass zur Genetik eine gute Buchhaltung gehört und diese Wissenschaft es folglich von Anfang an mit Organisationsaufgaben zu tun hatte.

    Abb. 3: Rekombination und Abstandsbestimmung. Zunächst wird gezeigt, wie es durch das Crossing-over zu einer Rekombination von Chromosomenstücken kommen kann (a, links oben).Weiter wird an einem Beispiel demonstriert, wie sich in einem Kreuzungsexperiment die Rekombinationshäufigkeit zweier Loci und damit deren Entfernung voneinander ermitteln lässt (b, links unten). Zuletzt ist erkennbar, wie dasselbe bei drei Genloci gelingen kann, deren Reihenfolge und Abstände durch Rekombination feststellbar sind (c, oben).
     
    Sie kamen an dem von Morgan bezeichneten Punkt nicht weiter. Für sie war ein Gen ein Ort auf (ein Teil von) einem Chromosom, das sich sowohl bei der Vererbung (Kreuzung) als auch bei der Mutation und erst recht bei der Rekombination (Crossing-over) als Einheit verhielt. Mehr konnten sie allerdings nicht herausfinden. Um weiterzukommen, brauchten sie die Hilfe der Physiker und Chemiker, die dann bald auch kam - und zwar zunächst aus Morgans eigenem Team.

EIN HERRLICHES MOLEKÜL
    Auf dem internationalen Genetikerkongress, der im Jahr 1927 in Berlin stattfand, teilte Hermann J. Muller aus dem Kreis der Genetiker um T. H. Morgan mit, dass ihm gelungen sei, mit Hilfe von Röntgenstrahlen Mutationen bei der Taufliege Drosophila auszulösen. Dabei war ihm nicht nur aufgefallen, dass die spontane Rate an vererbbaren Änderungen um das 1000fache erhöht werden konnte, sondern
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