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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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Vervollständigung des Bildes gemacht: Lenin war weder an diesem, noch an den vorangegangenen Tagen in Petrograd: seit dem 29. Juni hielt er sich krankheitshalber in einer Sommerfrische in Finnland auf. Doch im übrigen gibt die gedrängte Sprache des Kriegsgerichtsbeamten gar nicht übel das Vorbereitungsfieber der Maschinengewehrschützen wieder. Im Kasernenhof ging eine nicht minder heiße Arbeit. Waffenlose Soldaten versorgte man mit Gewehren, manche mit Bomben, auf jedes Lastauto, das von den Betrieben geliefert wurde, stellte man drei Maschinengewehre mit Bedienung. Das Regiment sollte auf der Straße in Kampfordnung erscheinen.
    In den Betrieben spielte sich überall ungefähr das gleiche ab: es kamen Delegierte von den Maschinengewehrschützen oder den Nachbarbetrieben und riefen auf die Straße. Als hätte man sie längst erwartet: die Arbeit wurde sofort eingestellt. Ein Arbeiter der Fabrik Reno erzählt: "Nach dem Mittagessen kamen einige Maschinengewehrschützen zu uns gelaufen mit der Bitte, ihnen Lastautos zu geben. Trotz des Protestes unseres Kollektivs (der Bolschewiki) mußte man die Wagen stellen ... Hastig luden sie auf die Autos die "Maxims" (Maschinengewehre) und sausten zum Newski. Da waren nun unsere Arbeiter nicht mehr zu halten ... Wie sie an der Arbeit standen, in ihren Schürzen, von der Werkbank weg, gingen sie in den Hof ... " Die Proteste der Bolschewiki in den Betrieben hatten, wie wohl anzunehmen ist, nicht immer sehr eindringlichen Charakter. Der längste Kampf ging um das Putilowwerk. Gegen 2 Uhr mittags verbreitete sich in den Abteilungen die Nachricht, eine Delegation des Maschinengewehrkommandos sei erschienen und rufe zu einem Meeting. Etwa zehntausend Arbeiter versammelten sich vor dem Kontor. Unter Beifallsrufen berichteten die Maschinengewehrschützen, sie hätten den Befehl erhalten, am 4. Juli zur Front zu gehen, seien aber entschlossen, "nicht an die deutsche Front zu fahren gegen das deutsche Proletariat, sondern gegen die eigenen MinisterKapitalisten". Die Stimmung stieg. "Gehen wir, gehen wir!" schrien die Arbeiter. Der Sekretär des Fabrikkomitees, ein Bolschewik, machte Einwände und schlug vor, die Partei zu befragen. Proteste von allen Seiten: "Nieder! wieder wollt ihr die Sache verschleppen ... so weiter zu leben ist nicht möglich ... " Gegen 6 Uhr erschienen Vertreter des Exekutivkomitees, doch diesen gelang es noch weniger, die Arbeiter zu beeinflussen. Das Meeting ging weiter, das endlose, entnervende, hartnäckige Meeting einer vieltausendköpfigen Masse, die einen Ausweg sucht und sich nicht suggerieren läßt, daß es ihn nicht gibt. Der Vorschlag, eine Delegation zum Exekutivkomitee zu entsenden: wieder eine Verschleppung. Die Versammlung geht immer noch nicht auseinander. Inzwischen bringt eine Gruppe Arbeiter und Soldaten die Nachricht, die Wyborger Seite marschiere bereits zum Taurischen Palais. Länger zurückzuhalten war nun unmöglich. Man beschloß, loszugehen. Der Putilowarbeiter Jefimow kam zum Bezirkskomitee der Partei gerannt, um sich zu erkundigen: "Was werden wir tun?" Man antwortete: "Wir werden keine Aktionen beginnen, doch die Arbeiter ihrem Schicksal überlassen können wir nicht, deshalb gehen wir mit ihnen zusammen." In diesem Augenblick erschien das Bezirkskomiteemitglied Tschudin mit der Kunde: in allen Bezirken gingen die Arbeiter auf die Straße, die Parteimitglieder seien gezwungen, "die Ordnung aufrechtzuerhalten". So wurden die Bolschewiki von der Bewegung erfaßt und in sie hineingezogen, dabei bestrebt, eine Rechtfertigung für ihr Handeln zu finden, das dem offiziellen Parteibeschluß zuwiderlief.
    Das industrielle Leben der Hauptstadt hörte gegen 7 Uhr abends völlig auf. Fabrik nach Fabrik erhob sich, machte sich marschbereit, Abteilungen der Roten Garde wurden ausgerüstet. "In der tausendköpfigen Arbeitermasse", erzählt der Wyborger Metelew, "liefen mit den Gewehrschlössern knackend hunderte Junggardisten geschäftig hin und her. Die einen füllten die Magazintaschen mit Patronenpäckchen, die anderen zogen die Riemen stramm, die dritten schnallten sich die Patronentaschen um, die vierten paßten die Bajonette auf, und jene Arbeiter, die, keine Waffe hatten, halfen den Gardisten beim Ausrüsten ..." Der Sampsonjewski-Prospekt, die Hauptader der Wyborger Seite, ist von Volk überfüllt. Links und rechts dichte Arbeiterkolonnen. In der Nähe des Prospekts das Maschinengewehrregiment, das Rückgrat des Zuges. An der Spitze
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