Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
drohen.
    Um 3 Uhr nachmittags erschienen in der Stadtkonferenz der Bolschewiki, die an diesem Tage in der Villa Kschessins-kaja stattfand, zwei Delegierte der Maschinengewehrschützen mit der Nachricht, ihr Regiment habe beschlossen, hervorzutreten. Keiner hatte dies erwartet und keiner es gewünscht. Tomski erklärte: "Die Regimenter, die auf die Straße gegangen sind, handelten unkameradschaftlich, indem sie das Komitee unserer Partei nicht zur Besprechung der Demonstrationsfrage eingeladen haben. Das Zentralkomitee schlägt der Konferenz vor: erstens, einen Aufruf, herauszugeben, um die Massen zurückzuhalten, zweitens, in einem Appell das Exekutivkomitee aufzufordern, die Macht zu übernehmen. Jetzt von bewaffneter Demonstration zu sprechen, ohne eine neue Revolution zu wollen, ist unzulässig." Tomski, ein alter Arbeiter-Bolschewik, der seine Treue zur Partei durch Jahre Katorga besiegelt hatte, später als Gewerkschaftsführer bekannt, neigte seinem Charakter nach überhaupt eher dazu, von einer Demonstration abzuhalten, als dazu aufzurufen. Aber diesmal entwickelte er nur Lenins Gedanken: "jetzt von bewaffneter Demonstration zu sprechen, ohne eine neue Revolution zu wollen, ist unzulässig." Sogar der Versuch der friedlichen Demonstration vom 10. Juni hatten ja die Versöhnler als Verschwörung verschrien! Die erdrückende Mehrheit der Konferenz war mit Tomski einverstanden. Man muß um jeden Preis die Lösung hinausziehen. Die Offensive an der Front hält das ganze Land in Spannung. Ihr Mißerfolg ist vorbestimmt, wie auch die Bereitschaft der Regierung, die Verantwortung für die Niederlage auf die Bolschewiki abzuwälzen. Man muß den Versöhnlern Zeit lassen, sich endgültig zu kompromittieren. Wolo-darski antwortete namens der Konferenz den Maschinengewehrschützen in dem Sinne, daß das Regiment sich dem Parteibeschluß zu fügen habe. Die Maschinengewehrschützen entfernen sich unter Protest. Um 4 Uhr bestätigt das Zentralkomitee den Beschluß der Konferenz. Ihre Teilnehmer gehen auseinander, in die Bezirke und Betriebe, um die Massen von einer Demonstration abzuhalten. Ein entsprechender Aufruf wird der Prawda geschickt zur Veröffentlichung am nächsten Morgen auf der ersten Seite. Stalin wird beauftragt, die vereinigte Tagung des Exekutivkomitees von dein Parteibeschluß in Kenntnis zu setzen. Die Absichten der Bolschewiki lassen somit keinen Platz für Zweifel. Das Exekutivkomitee wandte sich an die Arbeiter und Soldaten mit einer Warnung: "Unbekannte Menschen ... rufen euch mit den Waffen auf die Straße", und bestätigte damit, daß der Ruf von keiner einzigen Sowjetpartei stammte. Aber die Zentralkomitees, der Parteien wie der Sowjets, denken und die Massen lenken.
    Gegen 8 Uhr abends kam das Maschinengewehr- und hinterher das Moskauer-Regiment zum Palais Kschessinskaja. Populäre Bolschewiki: Newski, Laschewitsch, Podwojski, versuchten vom Balkon aus, die Regimenter zur Umkehr zu bewegen. Man antwortete ihnen von unten: Nieder! Solche Rufe hatte der bolschewistische Balkon von den Soldaten noch nicht vernommen, und das war ein bedrohliches Anzeichen. Hinter dem Rücken der Regimenter tauchten die Betriebe auf: "Alle Macht den Sowjets!" "Nieder mit den zehn Ministern-Kapitalisten!" Das waren die Banner des 18. Juni. Aber jetzt waren sie von Bajonetten umgeben. Die Demonstration war eine machtvolle Tatsache. Was tun? Ist es für Bolschewiki denkbar, beiseite zu stehen? Die Mitglieder des Petrograder Komitees gemeinsam mit den Konferenzdelegierten und den Vertretern der Regimenter und Betriebe beschließen: Die Frage zu revidieren, die unfruchtbaren Zurechtweisungen einzustellen, die zur Entfaltung gelangte Bewegung so zu lenken, daß die Regierungskrise im Interesse des Volkes gelöst werde; zu diesem Zwecke die Soldaten und Arbeiter aufzurufen, friedlich zum Taurischen Palais zu marschieren, Delegierte zu wählen und durch sie ihre Forderungen dem Exekutivkomitee zu übergeben. Die anwesenden Mitglieder des Zentralkomitees sanktionierten diese Änderung der Taktik. Der neue Beschluß, vom Balkon verkündet, wird mit Beifallsrufen und Marseillaise begrüßt. Die Bewegung ist von der Partei legalisiert: die Maschinengewehrschützen können erleichtert aufatmen. Ein Teil des Regiments betritt sogleich die Peter-Paul-Festung, um deren Garnison zu beeinflussen und, wenn nötig, die von der Festung durch die schmale Kronwerksker Meerenge getrennte Villa Kschessinskaja gegen einen Anschlag zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher