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Gesang der Untoten

Gesang der Untoten

Titel: Gesang der Untoten
Autoren: Carter Brown
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angezogen war, kam es mir vor, als wäre der Haarige ein
alter Freund.
    Ich trocknete mich sehr schnell
ab, setzte die Sonnenbrille wieder auf und beschloß, so rasch wie möglich
zurück in mein Zimmer zu gehen. Am Becken konnte ich nicht bleiben, weil der
Gesichtsausdruck der beiden sich nicht verändert hatte. Als ich ein paar
Schritte gegangen war, tauchte der Haarige neben mir auf.
    »In welchem Stockwerk wohnen
Sie?«
    »Im dritten. Wieso?«
    »Ich im vierten. Scheußlich,
die vielen Treppen. Der einzige Aufzug, der in diesem Schrotthaufen
funktioniert, geht von der Tiefgarage aus. Ich zeige Ihnen den Weg, okay?«
    »Fein«, sagte ich und dachte
mir, daß die Abkühlung umsonst gewesen war, wenn ich jetzt wieder Treppen
steigen mußte.
    Wir gingen eine Treppe hinunter
in die Tiefgarage, dann packte der Kerl mich am Arm und schleppte mich zu einer
schwarzen Limousine.
    »Soll das ein Scherz sein?«
fragte ich, als er die Tür zum Fond öffnete. »Ich sehe doch, daß das kein
Aufzug ist.«
    »Rein!« grollte er und gab mir
einen Schubs.
    Ich landete auf dem Rücksitz,
er ließ sich neben mich plumpsen. Dann tauchte plötzlich der Bierbauch aus dem
Nichts auf und setzte sich ans Steuer.
    »Hören Sie mal!« sagte ich
bestimmt. »Wenn Sie mich hier nicht rauslassen — «
    Mehr konnte ich nicht sagen,
weil man mir eine schwarze Haube über den Kopf zog. Ich schlug wild um mich,
aber der Haarige packte mich an beiden Armen und stieß mich zu Boden. Ich
hörte, wie der Wagen angelassen wurde.
    Wie lange die Fahrt dauerte,
konnte ich nicht sagen, aber als sie endlich anhielten, fühlte ich mich, als
wäre ich Wochen unterwegs gewesen. Jemand zerrte mich aus dem Auto und stellte
mich auf die Füße. Ich wurde ein Stück geführt, dann warf der Mann mich
plötzlich wie einen Sack über die Schulter. Er schnaufte und grunzte, so nahm
ich an, daß er mich Treppen hinauftrug. Unter der schwarzen Haube war es sehr
warm und stickig, mein Kopf hing nach unten, und mir wurde schwindlig. Dann
setzte er mich unvermittelt ab und zog mir die Haube vom Kopf.
    Wo ich auch war, eine besondere
Umgebung war es nicht. Ein kleines Zimmer, Vorhänge zugezogen, nur von einer
nackten Glühbirne kam Licht. Der Haarige wischte sich mit einem Taschentuch das
Gesicht ab, und der kleine Bierbauch sah fast so aus, als wollte er sich
entschuldigen.
    »Girlnapping ist ein
Kapitalverbrechen«, sagte ich. »Haben Sie das gewußt?«
    »Ja.« Der Haarige wischte weiter
sein Gesicht ab. »Das muß von den Kurven kommen.«
    »Was?« sagte ich.
    »Sie sind so ungeheuer schwer«,
stöhnte er. »Die Treppen hoch habe ich mir fast einen abgebrochen.«
    »Wenn Sie mich jetzt nicht
sofort zurück in mein Hotel bringen, fange ich an zu schreien.«
    »Nur zu«, meinte er
gleichgültig. »Hier hört Sie keiner.«
    »Burt Delaware wird mich
finden, und dann hilft euch die Mafia auch nicht mehr. Dann könnt ihr
neunundneunzig Jahre lang im Knast sitzen.«
    »Die Mafia?« Er verdrehte die
Augen. »Was für eine Mafia, gute Frau?«
    »Die Leute, für die Sie
arbeiten. Die Leute, die Burt eins auswischen wollen, weil er ihre
Raubpressungen unterbunden hat.«
    »Vielleicht ist es die Hitze?«
meinte der Bierbauch. »Kann auch sein, daß es von der Luftfeuchtigkeit kommt.
Unter der Haube war es wahrscheinlich ganz schön schwül, hm?«
    »Die spinnt einfach«, sagte der
Haarige zuversichtlich. »Ruf ihn an und sag ihm, er kann sie jederzeit abholen,
je eher, desto besser.«
    »Okay«, erwiderte Bierbauch.
»Soll ich was mitbringen?«
    »Ein kaltes Bier.« Der Haarige
seufzte tief und ließ sich in den nächsten Sessel fallen.
    Bierbauch verließ das Zimmer,
und ich dachte mir, daß jetzt meine Chance zur Flucht gekommen war. Ich machte
einen vorsichtigen Schritt auf den Haarigen zu, aber der hob sofort die Hand.
    »Mach ja keinen Unsinn«, sagte
er. »Mir ist heiß, ich habe richtig schlechte Laune. Wenn du irgendwelche
Tricks versuchst, halte ich dir die Arme auf dem Rücken fest und ramme dich mit
dem Kopf an die Wand.«
    Das sagte er ganz milde und
beiläufig, aber er überzeugte mich davon, daß er es ernst meinte. Ich beschloß,
erst einmal nachzudenken.
    »Wie lange wollen Sie mich hier
festhalten?«
    »Bis der Mann kommt, der uns
den Auftrag gegeben hat, Sie zu schnappen«, sagte er. »Hoffentlich dauert das
nicht mehr lange.«
    »Wer hat Sie angeheuert?«
    »Der Nikolaus«, grunzte er,
»und jetzt setz’ dich mal wieder, Herzchen.«
    Ich setzte mich in den
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