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Gesang der Untoten

Gesang der Untoten

Titel: Gesang der Untoten
Autoren: Carter Brown
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vor, sollten sie es nicht schaffen. Aber wer es auch war,
er gab sich viel Mühe.
    Jemand zwickte mich in den Arm,
und plötzlich schoß ich hoch. Neben dem Bett stand Dumbo.
    »Leise, komm schnell aus dem
Bett.«
    »Bist du verrückt geworden? Ich
will noch mindestens zehn Stunden schlafen!«
    »Bitte, Mavis«, sagte sie.
»Komm schnell!«
    »Folgen Sie ihr«, sagte eine
andere Stimme, und einen Augenblick dachte ich, mir bliebe das Herz stehen.
»Oder soll ich ein bißchen nachhelfen?«
    »Er ist irre«, flüsterte Dumbo.
»Er ist wahnsinnig! Du mußt ihm gehorchen!«
    Der Grindel stand in einer Ecke
des Zimmers, hatte die Hände über der Brust verschränkt und betrachtete uns
beide. Er sah aus wie eine wandelnde Leiche. Am liebsten hätte ich geschrien
und meinen Kopf unter die Bettdecke gesteckt. Seine dicke Unterlippe bewegte
sich die ganze Zeit über, als redete er mit sich selbst. Ich stieg wie ein
Roboter aus dem Bett und griff nach meinen Kleidern.
    »Das brauchen wir nicht«, sagte
der Grindel leise. »Sie sollen mir nur etwas schreiben, Mavis.«
    »Etwas schreiben?«
    »Sie sollen aufschreiben, was
in Carls Haus geschehen ist. Wie Rogers Anna erstach, und wie Carl und Lou
einander erschossen haben.«
    »Aber das stimmt nicht.«
    »Schreiben Sie«, sagte er,
»oder ich bringe Sie um.«
    »Aber die Polizei wird es nicht
glauben.«
    »Sicher wird sie.« Seine Lippen
zuckten einen Moment lang. Ich vermutete, daß es ein Lächeln war. »Dann habe
ich keine Probleme mehr. Die Polizei wird mich nicht mehr jagen, und Sophie
Ventura wird für mich singen!«
    »Ich habe dir doch gesagt, er
ist wahnsinnig«, flüsterte Dumbo. »Du mußt tun, was er sagt.«
    »Und wo wollen Sie Sophie
Ventura finden?« sagte ich.
    »Ich habe sie schon.«
    »Das glaube ich nicht«,
erwiderte ich.
    »Soll ich es beweisen?« Er ging
auf uns zu und wandte sich an Dumbo. »Dreh dich um!«
    Sie drehte sich folgsam um,
zitternd vor Angst. Der Grindel bückte sich, hob ihr durchsichtiges Gewand
hoch. Im ersten Augenblick konnte ich es nicht glauben. Auf ihrer linken
Hinterbacke war das Gegenstück zu meiner Spinne tätowiert.
    »Sehr clever war das«, sagte
der Zombie und ließ das Gewand wieder fallen. »Wer kümmert sich schon um eine
Süchtige, die in einem schäbigen Hotel herumhängt?«
    »Du hast mich wirklich hinters
Licht geführt!« sagte ich zu Sophie, als sie sich wieder zu uns umgedreht
hatte.
    »Aber ihn nicht«, meinte sie
mit zittriger Stimme. »Ich weiß nicht, wie er unbemerkt ins Hotel gekommen ist,
aber er hat es geschafft.«
    »Wir verschwenden nur Zeit.«
Der Grindel rieb sich die Hände. »Mavis, Sie müssen schreiben.«
    »Und was passiert dann?« fragte
ich.
    »Sophie kommt mit mir. Sie wird
ihre schönen Lieder singen, und wir werden schönes Geld verdienen.«
    »Und was geschieht mit mir?«
    »Hm, das ist schade.« Seine
Unterlippe zuckte wieder. »Aber Sie könnten Ihre Aussage zurückziehen, das darf
ich nicht zulassen. Deshalb werden Sie einen Unfall haben. Sie werden
schlaftrunken zum Fenster gehen, sich hinauslehnen und das Gleichgewicht
verlieren. Drei Stockwerke tief auf Beton, das reicht.«
    »Sie sind wahnsinnig! Das mache
ich nie!«
    Er packte mein linkes
Handgelenk und drehte mir den Arm auf den Rücken. Ich mußte mich vorbeugen, um
den Schmerz zu mildern. Dann bog er langsam meinen kleinen Finger nach hinten.
    »Ich breche Ihnen die Finger,
einen nach dem anderen. Zum Schreiben brauchen Sie nur die rechte Hand.«
    »Okay!« stöhnte ich, denn der
Schmerz ließ mir keine andere Wahl.
    »Jetzt setzen Sie sich und
fangen Sie an zu schreiben!«
    Ich ging zum Schreibtisch, der
unter dem offenen Fenster stand, und setzte mich. Dumbo — oder Sophie Ventura —
hatte recht. Der Grindel war wahnsinnig. Was er jetzt tat, war sinnlos. Das
konnte nicht klappen. Wenn ich aber nicht schrieb, was er verlangte, würde er
mich so lange quälen, bis ich es tat. Und dann wollte er mich aus dem Fenster
werfen!
    »Schreiben Sie jetzt endlich!«
zischte der Grindel hinter mir.
    Ich nahm den Stift, und im
selben Augenblick klopfte es an die Tür.
    Der Grindel legte mir die Hand
auf die Schulter und bohrte seine Finger unter mein Schlüsselbein.
    »Sagen Sie, er soll
verschwinden.«
    »Verschwinden Sie!« schrie ich.
    »Mavis?« rief es von draußen.
Ich konnte nicht sagen, wer es war. »Ich will nur mal kurz mit dir reden!«
    »Ich bin nicht angezogen!«
schrie ich, während der Grindel fester zupackte.
    »Ist mir egal!«
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