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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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Weilheimer Blaskapelle spielte einen Marsch und anschließend wurden diverse Veranstaltungen geplant, um auch in den Gebieten, in denen unsere Partei bisher noch nicht so gut vertreten ist, Basisarbeit zu leisten und Menschen für unsere Ziele zu gewinnen.
    Über die Termine im Einzelnen informieren wir im nächsten Heft der »Republikanischen Wochen-Zeitung«, die wie immer am Freitag erscheint.
    Noch eine aktuelle Meldung aus der Mitgliederchronik: Unser langjähriges Mitglied Franz-Xaver Gruber, von Beruf Rechtsanwalt und Stadtrat a.D., ist im Alter von 84 Jahren verstorben. Den Deutschen Republikanern war er Vorbild und Mahner. Wir werden ihm ein würdiges Andenken bewahren.
    Vom Himbeerkuchen hatte sie rote Zähne und sie fletschte sie und machte wilde Grimassen. Einige Gäste an den Nebentischen sahen her und sie reckte ihnen den Mittelfinger mit dem schwarzen Nagel entgegen.
    Der Typ neben ihr ging ihr auf die Nerven. Er saß in der Sonne, trank Wasser und war anscheinend entweder bekifft oder einfach nur behämmert, sie kam nicht dahinter.
    »Gibst du mir noch ’ne Cola aus? Hey!« Zum fünften oder sechsten Mal rempelte sie ihn von der Seite an, ohne dass er besonders darauf reagierte. Er wandte ihr den Kopf zu, immerhin, sie grinste und dachte, vielleicht steht er auf kleine Mädchen und überlegt sich gerade seine Strategie. Mit mir nicht, Alter, das würd extrem übel ausgehen für dich. Tabor Süden winkte der Bedienung, die nicht viel zu tun hatte. In dem Café am Rand des Hohenzollernplatzes, wo sie eine Zeit lang ratlos herumgestanden hatten, ehe Süden auf das San Marco zeigte, saßen wenig Gäste. Lucy wollte nicht hin, hatte aber auch keine Lust länger herumzulaufen. Außerdem taten ihr die Beine weh, und daran war der Typ schuld, weil er sie bei seiner Heldenaktion brutal auf die Straße geschleudert hatte.
    Wahrscheinlich wartet er drauf, dass ich vor Dankbarkeit auf die Knie fall oder sonst was mach. Da kannst du lange warten, Häuptling Stummfisch.
    Schon die ganze Zeit, während sie durch die Straßen gegangen waren, kam er ihr wie ein verkappter Indianer vor, mit seiner braunen Lederhaut, den Lederklamotten, dem Amulett und dem schleichenden Gang. Ihr fiel auf, dass er beim Gehen kaum Geräusche machte. In sich versunken schlurfte er dahin, leicht nach vorn gebeugt, die Hände auf dem Rücken. Obwohl er Halbstiefel trug, bewegte er sich leise wie in Turnschuhen oder als wäre er barfuß.
    Als sie ein paar Meter hinter ihm blieb, weil sie neben ihm eine Art Beklemmung verspürte, wandte er sich kein einziges Mal nach ihr um. Das ärgerte sie. Sie blieb stehen und wartete. Er ging einfach weiter. Dann brüllte sie:
    »Hey!«, und er hob den Kopf, blickte aber nicht in ihre Richtung, sondern weiter geradeaus und setzte seinen Weg fort, als habe er sich verhört. An der Kreuzung am Kurfürstenplatz holte sie ihn ein, stieß ihn in die Seite und schrie ihn an. Und er blieb stehen, endlich, sie dachte schon, er habe einen Defekt in den Gelenken, und sah ihr in die Augen. Das war auch wieder verkehrt, fand sie, aber jetzt war es zu spät. »Lass das!«, sagte er. Und ging weiter. Und sie stand da und konnte einfach nicht glauben, was passierte.
    Sie kannte die irrsten Typen und ihre Meinung über Tabor Süden wechselte alle fünf Minuten. Manchmal mochte sie ihn, dann wieder nicht. Einmal hielt sie ihn für einen Trottel und einmal für einen Psychopathen. Und wenn sie an ihre Begegnungen in letzter Zeit dachte, dann war die Wahrscheinlichkeit, dass er einer von der besonders abgedrehten Sorte war, ziemlich hoch. In den Kneipen und auf den Plätzen, wo sie sich gewöhnlich herumtrieb, zählte diese Kategorie von Männern zu den Normalos. Sie hatte sich an sie gewöhnt und wusste, was sie wollten und wie sie mit ihnen umspringen musste, damit sie nicht ausrasteten. Und wenn doch, hatte sie genügend Gegenmittel in ihrer Jacke, und die halfen immer.
    »Die Cola.« Die Bedienung stellte das Glas auf den Tisch.
    »Zitrone will ich keine«, sagte Lucy.
    »Dann nimm sie halt raus.«
    »Ja klar.«
    Lucy fingerte die Zitronenscheibe heraus und warf sie auf den Boden.
    »Heb das auf!«, sagte die Bedienung. Zwei ältere Damen schauten von ihrem mit Sahne überhäuften Cappuccino auf. Die eine machte einen derart angewiderten Eindruck, dass Lucy sofort begeistert war.
    »Hey!«, rief sie hinüber. »Braucht ihr Vitamine? Ich hab welche.« Sie hob die Zitronenscheibe auf, schnellte aus dem Stuhl hoch, war
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