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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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hörte ihr Herz poltern.
    Neben ihr saß ein Mann und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Dann holte er einen kleinen Block aus der Jackentasche und kritzelte etwas hinein. Ohne sie anzusehen. Steckte den Block wieder ein und schaute so gebannt die Straße hinunter, wo das Taxi verschwunden war, dass Lucy schon dachte, E.T. sei gelandet.
    »Hey! Is was? Alles okay mit Ihnen?«
    Irgendwie müde, fand sie, wandte er ihr den Kopf zu.
    »Alles klar?«, sagte sie und zog die Augenbrauen hoch. Der Typ machte auf sie einen reichlich wirren Eindruck. Er hatte dunkelblonde schulterlange Haare, grüne Augen, wie Lucy noch selten welche gesehen hatte, und ein Gesicht, das, wie ihr sofort auffiel, nicht so aussah, als würde es viel Schlaf und Pflegecremes abkriegen. Dennoch machte er einen gesunden und coolen Eindruck auf sie, wie einer, den nicht so schnell was umhaute, auch wenn er jetzt auf dem Asphalt hockte und leicht daneben wirkte.
    Dann fiel ihr die Kette auf, die er um den Hals trug, ein blauer Stein mit einem Tier. Sie konnte nicht erkennen, welches es war. Und er hatte Schuhe an, die wie halbhohe Stiefel aussahen, mit einer eigentümlichen Musterung, Schlangen oder Pflanzen.
    »Lässig«, sagte Lucy.
    »Was?«
    »Alles.«
    Er schwieg und sie wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Immerhin hatte er sie vor einem geisteskranken Taxifahrer gerettet, der sie glatt plattgemacht hätte. Eine Minute lang hörte sie nervös seinem Schweigen zu, dann wuchtete sie sich in die Höhe, klopfte ihre Bomberjacke ab, in der es klirrte und klapperte, und lehnte sich an eines der geparkten Autos.
    »Ich bin Lucy und Sie?«
    Er blickte zu ihr hinauf und sie sah die vielen Stoppeln in seinem Gesicht und eine lange Narbe am Hals.
    »Süden«, sagte er, »ich heiß Tabor Süden.«
    »Warum nicht?«, sagte Lucy.
    Er fing wieder an zu schweigen und das konnte sie jetzt nicht gebrauchen.
    »Hey!«, rief sie, ging an ihm vorbei auf die Straße und drehte sich zu ihm um. »Danke. Ich war total weg. Ich wär jetzt tot ohne Sie, echt. So ein Wichser!«
    »Ich hab mir die Autonummer aufgeschrieben«, sagte Süden.
    »Ich war total weg«, sagte Lucy noch einmal und sah ihn mit ernster Miene an.
    »Jetzt bist du ja wieder da.«
    Verwundert sah sie ihn an. Seltsam: Er erinnerte sie an jemanden, dem sie nie begegnet war, an einen Mann aus dem Busch, von dem ihr Vater früher oft gesprochen hatte. Denn dieser Mann hatte ihrer Mutter nach einem Schlangenbiss im Regenwald das Leben gerettet und war dann nie wieder aufgetaucht. Auch er, hatte ihr Vater erzählt, trug ein blaues Amulett und hatte eine Narbe am Hals.
    »Hey Süden!«, rief sie und streckte ihm die Hand hin.
    »Kommen Sie mit, was trinken. Ham Sie Zeit?«
    »Ich bin Beamter, ich hab viel Zeit«, sagte er, packte ihre Hand und hätte Lucy beim Aufstehen beinah wieder zu Boden gerissen.
    »Ganz schön schwer«, sagte sie.
    »Du bist auch nicht gerade untergewichtig.«
    »So was sagt man nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil das eine Beleidigung ist für eine Frau, besonders für ein Kind«, sagte sie und meinte es ziemlich ernst.
    »Entschuldigung«, sagte er.
    »Is okay.«
    Fürs Erste hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Wortlos machten sie sich auf die Suche nach einem Lokal, das ihnen beiden gefiel und wo sie draußen in der Sonne sitzen konnten.
    Von der arktischen Stadt, in der sie sich befanden, hatten sie beide noch nicht die geringste Vorstellung.
    Zum ersten Mal seit langem fand in München wieder eine ordentliche Versammlung unseres Landesverbands statt und sie wurde ein großer Erfolg. Noch vor der Rede unseres Ortsvorsitzenden Norbert Scholze traten mehrere junge Männer und eine Frau neu in die Partei ein und wurden mit viel Beifall begrüßt. Anschließend spielte die Weilheimer Blaskapelle den Bayerischen Defiliermarsch und es gab wohl kaum jemanden im Saal, der nicht mitklatschte oder eine Fahne schwang. Im beliebten Löwenbräu-Keller am Stiglmaierplatz herrschte von Beginn an eine großartige Stimmung, die Wirtsleute hatten auf jeden Tisch Blumen gestellt und freundliche Bedienungen sorgten dafür, dass niemand lange vor einem leeren Glas ausharren musste. Es waren rund hundert Mitglieder und Freunde der Partei gekommen und Vorsitzender Scholze freute sich besonders, so viele junge Gesichter begrüßen zu dürfen.
    »Wir sind eine starke Kraft und unsere Zukunft hat gerade erst. begonnen.« Mit diesen Worten begann Scholze seine Rede, die immer wieder vom
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