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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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ich euch, jetzt und für immer und immer mehr!
    Mit einem Satz sprang sie auf. Die älteren Frauen in der ersten Reihe wichen erschrocken zurück. Sie zog ein Butterflymesser aus der Tasche und schwenkte es hin und her.
    »Ich habs gwusst, die is kriminell!« Der Mann, der Sandalen, braune Socken, eine kurze beigefarbene Hose und ein gemustertes Hemd trug, trat ein paar Schritte vor, holte aus und wollte zuschlagen. Aber er brauchte zu lange, um seinen Arm zu heben. Lucy drehte sich zur Seite und schubste ihn. Und er, mitten in der ausholenden Bewegung, taumelte, schlug ins Leere, verlor den Halt und stürzte auf eines der beiden Fahrräder, das scheppernd umfiel. Er plumpste obendrauf. Jemand lachte. Die Blondine, der das Rad gehörte, ließ vor Schreck das Eis fallen und es platschte dem Mann genau aufs Knie.
    »Du Sau!«, rief er und verfing sich mit den Fingern in den Speichen.
    Immer mehr Neugierige blieben stehen. Lucy boxte sich den Weg frei. Als sie eine alte Frau mit einem grünen Hut, die sie festzuhalten versuchte, wegschob, versperrte ihr ein kräftiger Mann um die fünfzig den Weg.
    »Ganz ruhig jetzt!«, sagte er und baute sich breitbeinig vor ihr auf. »Gib mir das Messer und mach keinen Quatsch! Ich helf dir, ich heiß Alfons, du kannst du zu mir sagen.«
    Lucy umklammerte das Messer. Der Typ kam ihr bekannt vor, ein Bulle vielleicht, ein Bulle in Zivil. Er trug ein graues Blouson und eine schwarze Hose. Und auf einmal hatte er eine Pistole in der Hand.
    »Gib mir das Messer!« Er schaute auf sie herunter. Sie war zwei Köpfe kleiner als er. Sie dachte gar nicht daran, seinen oder irgendeinen anderen Befehl zu befolgen. Was wollten sie alle von ihr? Wieso kesselten sie sie ein? Tatsächlich bildeten die Leute einen Kreis um die beiden und Lucy war klar, dass sie sich beeilen musste, wenn sie hier unbehelligt rauskommen wollte. Und sie wollte so schnell wie möglich hier raus und weg. Was mach ich überhaupt noch hier? Und du, glaubst du, du kannst mich aufhalten, du Wicht?
    »Okay«, sagte sie und hielt Alfons das Messer hin.
    »Ich hab gewusst, du bist clever. Ich bin Detektiv drüben im Hertie, kann das sein, dass wir uns schon mal begegnet sind? Kommt mir so vor.«
    »Kann sein.«
    Er streckte die Hand nach dem Messer aus, bewegte sich lässig auf sie zu und das war der richtige Moment. Blitzschnell trat sie ihm zwischen die Beine und die Stahlkappe ihres rechten Schuhs erwischte zielsicher den Schritt. Den Anblick, wie Alfons gurgelte, glotzte und ihm die Augäpfel halb rauskippten, gönnte sie sich zwei Sekunden, dann lief sie los. Die Leopoldstraße Richtung Süden, rechts ab in die Hohenzollernstraße und dann geradeaus.
    Alfons ging in die Hocke und schnappte nach Luft. Der Mann in den Sandalen wischte sich das Eis vom Bein und fluchte. Eine Frau rief laut nach der Polizei. Und zwei Taxifahrer verfolgten Lucy in ihren Autos.
    An der Ecke Wilhelmstraße steuerte der eine Taxifahrer seinen Wagen auf den Gehsteig und sprang heraus.
    »Bleib stehen, du!« Er beugte sich ins Auto und holte eine Pistole heraus. »Stehen bleiben oder ich schieße!« Lucy rannte die Einbahnstraße hinunter und das zweite Taxi kam hinter ihr her. In der Ainmillerstraße zögerte sie einen Moment. Das Taxi raste direkt auf sie zu. Sie sah hin und war unfähig, einen Schritt zu tun. Schnurgerade brauste der Mercedes mit der roten Möbelhauswerbung auf sie zu. Wie paralysiert stand sie auf der Straße vor den renovierten Altbaufassaden, roch den Duft von frisch gekochtem Essen und hörte aus einem offenen Fenster leises Klavierspiel. Und das Taxi hatte sie fast erreicht und der Fahrer schien immer noch mehr Gas zu geben.
    Trotzdem hörte sie die melodischen Klänge des Klaviers. Das gefiel ihr. Dass irgendwo jemand schon jetzt ein Trauerlied spielte, extra für sie. Und sie durfte noch ein paar Töne selber mit anhören, was sonst nie passierte. Sonst ist man ja schon tot, wenn das gespielt wird, dachte sie. Sie hob den Kopf. In ihrem Haar klimperten die Perlen und Ringe und der Himmel über den hohen bemalten Häusern war blau, blau wie die Bucht von Benin, von der ihr Vater oft erzählt hatte, und Möwen kreisten über ihr. Wo kommt ihr denn her?
    Und während sie sich noch wunderte, wurde sie von zwei Händen gepackt, zu Boden geworfen und über die Straße geschleift. Und der Mercedes bretterte vorüber, sie sah den Mann hinter dem Lenkrad, ein entwischender Schatten. Und dann lag sie zwischen zwei geparkten Autos und
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