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German Angst

German Angst

Titel: German Angst
Autoren: Friedrich Ani
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mit drei großen Schritten bei ihnen und tunkte die Scheibe in die Tasse derjenigen, die sie so ablehnend angeschaut hatte.
    »Is total viel gesünder als Sahne, echt!«
    Die Zitrone versank in der Sahne. Lucy wischte sich die Hände an der Papierserviette ab, die auf einem der leer gegessenen Kuchenteller lag. Die Bedienung kam näher und stellte sich zwischen zwei Tische, direkt vor Lucy.
    »Du entschuldigst dich jetzt sofort und dann verschwindest du hier!«, sagte sie mit erhobenem Zeigefinger. Das konnte Lucy besonders gut leiden. Blitzschnell griff sie nach dem Finger und quetschte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger so fest zusammen, dass die Bedienung laut aufschrie. Lucy ließ nicht los.
    »Du blödes Luder, hör auf!«, rief die Bedienung und versuchte sich zu befreien. Lucy schüttelte ihre Hand und die Frau taumelte hin und her. »Lass los! Das tut weh!«
    »Ja«, sagte Lucy und ihre schwarzen Augen jagten der Bedienung einen Schrecken ein.
    Ein Gast stand von seinem Platz auf. Unschlüssig schaute er um sich und sein Blick blieb an dem Mann hängen, der mit dem Mädchen hergekommen war und offenbar völlig überfordert mit ihr war. Er wollte ihm gerade etwas zurufen, da stand Tabor Süden auf und ging zu Lucy und der Bedienung.
    »Das wars jetzt, hör damit auf, Lucy, lass die Frau los!« Lucy bohrte ihren Daumennagel in die Haut und drückte fest zu. Aus der Fingerkuppe tropfte Blut. Die Bedienung schrie noch einmal auf und kämpfte mit den Tränen.
    »Ich zeig dich an, du verdammte Göre!« Sie brauchte einige Sekunden, bis sie begriff, dass das Mädchen ihren Finger losgelassen hatte. »Sie bleiben hier, bis die Polizei kommt!«, fuhr sie Süden an, steckte den Finger in den Mund und leckte ihr Blut ab.
    »Entschuldigen Sie!«, sagte Süden.
    »Ist das Ihre Tochter? Herzlichen Glückwunsch!« Sie pustete ihren Finger an und brachte vor Wut und Schmerz keinen Ton heraus.
    »Solche Kinder darf man nicht frei rumlaufen lassen!«
    »Wenn wir uns so was erlaubt hätten, wären wir eine Woche in den Kohlenkeller gesperrt worden.«
    Die beiden Cappuccino-Damen übertrumpften sich im Ausdenken von Strafen. Der Gast, der aufgestanden war, setzte sich wieder, zündete sich eine Zigarette an und trank sein Weißbier weiter. Ihm war alles recht, Hauptsache, seine Exfrau, die um die Ecke wohnte, tauchte nicht zufällig hier auf und störte seine venezianische San-Marco-Stimmung.
    »Das Mädchen hatte einen schweren Unfall, sie ist sehr verwirrt«, sagte Tabor Süden zur Bedienung, die zur Tür des Cafés ging, wo ihr Chef, ein kleiner grauhaariger Mann, ein Taschentuch bereithielt.
    »Die ist doch verrückt!«
    »Was ist passiert, Hanna?«, fragte der Wirt, der hinter dem Tresen Getränke ausschenkte und Eis verkaufte.
    »Diese Göre hat mir den Finger zerquetscht, schau dir das an!«
    Sie hielt ihm den Zeigefinger hin und er betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. Die Druckstelle war gerötet und es kam nur noch ein winziger Blutstropfen heraus. Hanna tupfte die Wunde ab. Der Wirt brachte ihr ein Glasschälchen mit Eiswürfeln.
    »Zum Kühlen.«
    Hanna schüttelte den Kopf. Die Nähe des langhaarigen Mannes, der einen eigentümlichen Duft verströmte, irritierte sie.
    »Ist das Ihre Tochter oder was?« Sie streifte Süden mit einem flüchtigen Blick.
    »Nein. Das Mädchen ist verstört, sie weiß nicht, was sie tut…«
    »Schien mir nicht so, schien mir überhaupt nicht so! Sie hat der Dame eine Zitrone in den Kaffee geschmissen!«
    »Ich bezahle den Kaffee. Warten Sie!«
    Er ging zum Tisch. Lucy hatte sich wieder hingesetzt, die Beine von sich gestreckt und mürrisch die Arme verschränkt. Er holte aus seiner Lederjacke, die über dem Stuhl hing, einen Zwanzigmarkschein.
    »Der Rest ist für Sie«, sagte er zur Bedienung. Sie steckte den Schein ein und schwieg. Er setzte sich. Als habe Lucy auf diesen Moment gewartet, nahm sie ihr Glas und trank es in einem Zug aus und knallte es auf den Tisch. Dann rutschte sie noch tiefer und legte ihre Füße auf den Stuhl des Nachbartisches.
    Langsam packte sie der Zorn, der namenlose sirrende Zorn, der ihr so vertraut war wie ihr Name, und sie spürte, dass sie es nicht mehr lange hier aushalten würde. Ich dreh gleich durch in diesem ätzend-langweiligen Scheißcafe.
    »Wieso hast du das getan?«, fragte Süden. Er beugte sich vor, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. Glotz mich an, wenns dir Spaß macht, aber beschwer dich hinterher nicht, ich hätt dich nicht
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