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Geraubte Seele

Geraubte Seele

Titel: Geraubte Seele
Autoren: Zoe Zander
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Wahrscheinlich war es den Polizisten bekannt. Die zwei Beamten taten jedenfalls nicht überrascht. „Dann wissen Sie bestimmt auch, dass sie in Wirklichkeit Monika Brinda heißt.“ Das wussten sie nicht, sonst hätten ihnen meine Worte nicht so tiefe Falten ins Gesicht geritzt.
    „Ist sie …?“, fragten sie gleichzeitig nach.
    „Sie ist die Schwester von Denis Brinda.“ Das war der Name meines ehemaligen Zuhälters, dem diese Woche der Prozess wegen Menschenhandel und Totschlag gemacht werden sollte.
    Hätte ich damals bei der Polizei die Wahrheit gesagt, wäre es für einen seiner einflussreichen Freunde ein Leichtes gewesen, meine Akte und womöglich auch mich verschwinden zu lassen. Einige Jahre später jedoch beinhaltete mein anonymer Hinweis zu viele detaillierte Informationen, um die Ermittlungen im Sande verlaufen lassen zu können. Damit sich die Polizei auch richtig Mühe gab, informierte ich zeitgleich auch die Presse. Leider war der Bordellbesitzer nur ein kleiner Fisch, der nicht von größeren gefressen werden wollte. Er hatte bis zu diesem Tag jedwede Aussage verweigert und auch keinen seiner Komplizen verraten. Ich wollte mich nicht mit einer persönlichen Aussage auf den Pranger stellen. Deshalb wählte ich diese Laufbahn. Um mit Dalibors Schicksal Russisches Roulette zu spielen.
    „Dann war also Phalke das fehlende Glied in der Kette, nach dem wir vergeblich gesucht haben.“ Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. Mir war jedoch das gierige Leuchten in ihren Augen aufgefallen.
    „Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Sie können aber bestimmt Frau Phalke fragen, was genau sie sich unter Beihilfe vorstellt.“ Ich konnte mir den sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Es war schließlich ihr Wagen gewesen, in dem man mich damals von der Polizeiwache zurück ins Bordell brachte. Diesmal hatte ich keine Bedenken, dass man meinen Hinweis ignorieren würde. Dafür war die Öffentlichkeit zu sehr an einem erfolgreichen Ermittlungsergebnis interessiert. So ein Abschluss würde den Beamten bestimmt auch zum beruflichen Aufstieg verhelfen.
     
    Die Männer verabschiedeten sich kurz darauf und ich fand mich in der festen Umarmung von Alex wieder.
    „Es ist Zeit für einen Neuanfang“, flüsterte er mir ins Ohr.
    „Nenn mich nie wieder Pumuckl, du Meister Propper“, streifte ich ihm mit der Hand über seinen kahlen Kopf. Es war schön, endlich frei zu sein und auch frei entscheiden zu dürfen, wen ich in meine Nähe lassen würde.
     
    Das war vor einer Woche.
     
    Während dem Zuhälter der Prozess gemacht wird, lümmle ich auf einer Liege auf dem Sonnendeck eines Karibikkreuzers. Ich nippe an meinem ersten Glas Wein und lasse den spektakulären Sonnenuntergang auf mich wirken. Meine Atemzüge schmecken nach Salz und die Wellen, die sich am Schiffsrumpf brechen, läuten meinen neuen Lebensabschnitt ein.
    Am unteren Ende der Liege sitzt sie und massiert meine Füße. Ich nenne sie Christina, denn auch die Frau Doktor Parson hat einen Vornamen. Ich betrachte ihr offenes Haar. In der untergehenden Sonne schimmert es golden. Sie dreht sich zu mir um und mir fällt auf, wie lebendig ihre Augen ohne die dicke Brille wirken.
    „Ich sehe dich endlich lächeln, das ist schön. Du siehst aus, als hättest du dein Glück gefunden.“ Sie rutscht rauf zu mir und küsst mich auf den Mund.
    Ich habe tatsächlich etwas gefunden. Es befand sich in einem Brief, den ich erst vor zwei Tagen bekam. Es war ein kleiner Zettel mit einer Notiz, die ich vor Jahren geschrieben hatte. Nun lese ich mir die Notiz noch einmal durch, bevor ich den Zettel mit einem brennenden Streichholz anzünde. Ich sehe zu, wie sich das kleine Stück Papier binnen Sekunden in Asche verwandelt. Erst als der Wind diese ins offene Meer trägt, lässt meine Anspannung nach. Nun kann mir keiner mehr meine Seele stehlen.
    Ich hebe mein Weinglas, als wollte ich mit jemandem anstoßen. Im Geiste tue ich es auch. Mit all den Frauen, die ein ähnliches Schicksal ereilte wie mich.
     
    Ich hatte Alex um Bedenkzeit gebeten. Ich musste mich erst selber näher kennenlernen, bevor ich mein Leben mit jemandem teilen wollte. Die Nacht mit ihm war schön, doch das erhoffte Kribbeln blieb aus. Ich brauchte Zeit, um herauszufinden woran das lag. War ich zu abgestumpft, oder konnte ich ihm trotz allem, was er für mich getan hatte, nicht vertrauen? Lag es etwa tatsächlich an seinem männlichen Geschlecht?
    Ich wollte erst die Frau in mir kennenlernen.
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