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Geraubte Seele

Geraubte Seele

Titel: Geraubte Seele
Autoren: Zoe Zander
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geweckt.
     
    „Es wird auch keine Anderen geben, denn ich höre auf.“
    Ich konnte genau den Moment erkennen, als er seine Souveränität verlor.
    „Das geht nicht!“, protestierte er laut. Es schien, als hätte er die Fassung verloren, denn seine Körperhaltung und auch die Tonlage waren plötzlich anders als sonst. Dies war ihm vorher noch nie passiert. Er tobte nicht, wenn er mir mit der Peitsche tiefe Furchen auf dem Rücken hinterließ. Er schlug einfach nur fest zu, ohne jedwede Gefühlsregung. Er war jedes Mal Herr seiner Sinne geblieben, wenn er mir den Kopf unter Wasser drückte. Genauso wenig verlor er die Beherrschung, als er mich gestriegelt wie ein Pferd und mit Kufen statt Schuhen, an einer langen Leine stundenlang im Kreis laufen ließ. Und es war, als würde er sich eine Dokumentation ansehen, wenn in seiner Anwesenheit andere Männer ihre und auch meine Lust stillten.
    Ich ging auf seinen Protest nicht ein und nahm die schmale Schachtel in die Hand, die ich zu diesem Treffen mitgebracht hatte.
    „Dies ist mein Abschiedsgeschenk.“ Mittlerweile stand er mit dem Rücken zum Fenster. Mir fiel sofort sein veränderter Gesichtsausdruck auf. Es schien, als würde ein Kampf in ihm wüten. Als wollte er sich nicht mit der Tatsache anfreunden, dass er die Situation nicht mehr im Griff hatte und gleichzeitig bemüht war, der Wut nicht zu verfallen, um nicht die Kontrolle zu verlieren.
    Ich ging auf ihn zu und reichte ihm die in Geschenkpapier eingewickelte Schachtel, ohne ihn anzusehen. Ich betrachtete die Wände des kleinen Raumes.
     
    Es war nicht das erste Mal, dass er sich hier mit mir verabredete. Wir hatten uns bereits in einer Frauenarztpraxis getroffen. Während ich am Untersuchungsstuhl gefesselt war, fistete er mich mit seiner großen Hand so lange, bis mein Unterleib glühte.
    Ich war ihm auch schon in die geschlossene Abteilung einer Klinik gefolgt. Die Einsamkeit in der Gummizelle hat mich dem Wahnsinn näher gebracht, als die Zwangsjacke samt der Elektroschocktherapie.
    Doch meistens trafen wir uns hier. Wobei ich nicht wusste, wem diese Räumlichkeiten gehörten. Auch nicht, ob all die Messer, Säbel und Schwerter, die an den Wänden hingen, seinem Geschmack entsprachen.
    Er nahm mein Geschenk entgegen, riss das Papier auf und öffnete die Schachtel. Im Augenblick konnte er sich über mein Präsent nicht freuen, aber das kurze Funkeln in seinen Augen verriet mir, dass ich die richtige Wahl getroffen hatte.
    „Ich brauche dich“, trat er plötzlich über die Schwelle der Distanz, die außerhalb der Session zwischen uns herrschte.
     
    Aus der restlichen Spannung, die nach der Reizstromsession in meinem Körper noch vorhanden war, braute sich nun ein Gewitter zusammen. Unkontrolliert wie ein Blitz glitt mir plötzlich über die Lippen:
    „Wo warst du, als ich dich gebraucht habe?“ Mit diesem einen Satz muss sich mein innerer Druck vorerst entladen haben, denn trotz der Wut, die in mir wie ein Hurrikan wütete, blieb ich fast erschreckend ruhig.
    Ich merkte es sofort an seinen Augen. Dieses: Ich wusste, dass ich dich kenne.
     
    Die dicke Make-up-Schicht, unter der ich stets meine Sommersprossen versteckte, überstand Wasserspiele jedweder Art. Meine grünen Augen präsentierte ich nur dann, wenn die Männer es ausdrücklich wünschten. Wobei sie stets glaubten, es handle sich dabei um farbige Kontaktlinsen. Meinen Lockenkopf bändigte ich regelmäßig mit einem Glätteisen und das Herbstlaubrot bekam nur die Frau Doktor Parson mal durch Zufall zu sehen. Es ging mir damals so schlecht, dass ich das lange Sitzen während einer Friseurbehandlung nicht ertragen hätte.
    Das alles habe ich manipulieren könnten, aber die Form meiner Augen nicht. Auch nicht meine hervorstehenden Wangenknochen oder meine Stupsnase, die er früher angeblich so niedlich fand. Und spätestens an dem Grübchen in meinem Kinn hätte er mich erkennen müssen, hätte er mich damals tatsächlich so sehr geliebt, wie er es behauptet hatte. Ich fühlte mich plötzlich, als hätte ich im Bruchteil einer Sekunde die letzten fünfzehn Jahre meines Lebens nochmals durchlebt.
     
    „Ich habe dir vertraut, an dich geglaubt, dich geliebt und du hast mich wie einen Spucknapf herumgereicht.“ Er hielt die offene Schachtel in den Händen und starrte mich mit riesigen Augen an, als …
     
    Mein Gott, kann er sich tatsächlich nicht erinnern? Waren all die Jahre voller Qualen, Demütigungen und Hasses umsonst
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