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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat
Autoren: André Theuriet
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Fräulein Laheyrard.« Er schickte diese Botschaft dem jungen Mädchen durch den Portier und wurde eine Viertelstunde später in einkleines Zimmer geführt, in dem Helene arbeitete. Ein volles Bücherbrett, einige Strohstühle, ein Tisch, auf dem in einem Wasserglase eine späte Rose blühte, das war die ganze Einrichtung des Gemaches, das der Chevalier nun feierlich mit erhobenem Haupte, weißer Halsbinde, finsteren Brauen und geziert zusammengezogenem Munde betrat.
    Helene, noch ganz verwirrt von der Ankündigung dieses unerwarteten Besuches, stand neben dem Tische. Ihr schönes lockiges Haar, dessen ungebundenes Herabwallen Herrn von Seigneulles so unangenehm berührt hatte, war mit einem blauen Bande aufgebunden und umrahmte bescheiden das blasse Gesichtchen.
    »Fräulein,« begann der Chevalier rasch, »ich bin der Herr von Seigneulles.« – Helene verbeugte sich. – »Ich bin noch nie der Erfüllung einer Pflicht aus dem Wege gegangen,« fuhr er fort, »und obwohl das erste Unrecht in dieser unglücklichen Angelegenheit auf Ihrer Seite liegt...«
    »Herr Baron,« unterbrach sie ihn lebhaft, »Sie sind grausam!... Ich habe mich selbst genug bestraft, als ich alle, die ich liebe, verließ, und Sie sollten mir Vorwürfe, selbst wenn ich sie verdient hätte, ersparen.«
    Der Chevalier machte eine Bewegung der Ueberraschung. Wider Willen fühlte er sich von Helenens lieblicher Stimme ergriffen, und der harte Sinn dieses unbeugsamen Herzens wurde auf eine ihm selbst unbegreifliche Weise erweicht. Er erhob den Blick und konnte nicht umhin, die würdige, einfache Haltung des jungen Mädchens zu bewundern. Er hatte sich auf ein leichtsinniges Geschöpf, auf Beschuldigungen und Thränenströme gefaßt gemacht und nun versetzte ihn das stolze und doch ergebene Wesen Helenens in Erstaunen. »Hören Sie mich zu Ende,« begann er wieder, »Sie haben mich mißverstanden. Ihr persönliches Betragen geht mich nichts an, aber ich habe die Verpflichtung, mich um das meines Sohnes zu kümmern und seine Dummheiten gut zumachen. Ich bin Edelmann und halte auf die Ehre meines Hauses.«
    »Ich bitte um Verzeihung,« sagte Helene, »ich verstehe Sie immer noch nicht.«
    »So will ich mich deutlicher erklären,« entgegnete der Chevalier, ungeduldig über den Mangel an Scharfsinn, den Fräulein Laheyrard an den Tag legte, und da er in zarten Uebergängen kein Meister war, fügte er brummig hinzu: »Mein Sohn hat Ihnen Schaden zugefügt, und wir schulden Ihnen einen Ersatz dafür.«
    »Einen Ersatz!« wiederholte Helene und sah ihn verwundert an.
    »Ja,« fuhr er fort, »so schwer auch das Opfer sein mag, wir haben die Gewohnheit, unsere Schulden zu bezahlen ohne zu markten.«
    Diesmal fürchtete das junge Mädchen, verstanden zu haben, sie glaubte, Herr von Seigneulles habe es sich in den Kopf gesetzt, ihr eine Geldentschädigung für ihre Abreise von Juvigny anzubieten. Ihre Wangen röteten sich und mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit sagte sie entrüstet: »Habe ich recht gehört? Was wollen Sie mit den Worten ›Schulden‹ und ›Bezahlen‹ sagen? Sind Sie vielleicht gekommen, um mir einen Handel vorzuschlagen?...«
    »Wie, wie?« brummte Herr von Seigneulles vor sich hin. Diese letzten Worte hatten sein ganzes Mißtrauen wieder wachgerufen. Er bewahrte den Parisern gegenüber stets das Mißtrauen des Kleinstädters, der immer fürchtet, angeführt zu werden. Die argwöhnische und kleinliche Natur des Lothringers gewann wieder die Oberhand in ihm. Er glaubte, er habe es mit einer jener schlauen Personen zu thun, die nur Lärm schlagen, um sich ihren Widerstand teurer abkaufen zu lassen, und beschloß, Helene auf die Probe zu stellen. Er suchte mit seinen kleinen grauen Augen in Helenens offenem Antlitz zu lesen.
    »Und wenn dies der Fall wäre?« fragte er zuversichtlich.
    »Das wäre für mich die schrecklichste Strafe.«
    »So lehnen Sie meine Anerbietungen ab, welche es auch sein mögen?«
    »Ja, gewiß!« rief Helene leidenschaftlich. »Es scheint, daß Sie mich sehr falsch beurteilen! Ich bin zwar nicht von Adel, aber mein Herz schlägt deshalb nicht weniger hoch als das Ihre ... Kein Wort mehr, Herr von Seigneulles, haben Sie die Güte, sich zu entfernen.« Sie machte einige Schritte auf die Thüre zu. Der Chevalier, zwar sehr verlegen, aber innerlich entzückt, betrachtete sie mit steigendem Wohlwollen.
    »Aber, zum Kuckuck!« sagte er, »Sie können mich doch nicht verhindern, die Kränkungen, die mein Sohn Ihnen zugefügt
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