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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat
Autoren: André Theuriet
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hier ist jetzt nichts mehr zu verbergen. Wo ist es denn geschehen?«
    »Auf der Treppe, bei Herrn Carrard,« schluchzte Georgine.
    »Auf einer Treppe?... Schamlose Frechheit!« rief der Abbé verwirrt! »nun, was denn? Sprich!«
    Und Stück für Stück entlockte er Fräulein Grandfiefihr harmloses Geständnis; wie ein Espenlaub zitternd, berichtete sie alles; wie ihr Marius, von ihr ermutigt, so angelegentlich den Hof gemacht, wie sie ihn in dem Weinberg getroffen und sich bei dem Nachtessen ein wenig berauscht habe, und endlich kam sie auch an den fürchterlichen Kuß auf den Mund, und das Vergnügen, das ihr derselbe bereitet hatte.
    »Und dann?« grollte der entrüstete Abbé.
    »Das ist alles,« flüsterte Georgine, die in Thränen und Scham fast verging.
    Der Geistliche atmete tief erleichtert auf. »Du sagst mir doch die ganze Wahrheit?«
    »Ach ja, Herr Pfarrer.«
    Trotz des Schreckens, den er soeben gehabt hatte, konnte der Abbé nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken. Diese Unschuld überraschte ihn. Er schwieg und betrachtete den Aermel seiner Soutane. Endlich wandte er sich zu Georginen, die beschämt und weinend wartete, und sagte ernst: »Trockne deine Thränen und beruhige dich! Die Vorsehung ist barmherzig. Das, was du fürchtest, tritt nie beim erstenmal ein. Nur hüte dich, denn im Wiederholungsfalle kann ich dir für nichts stehen.«
    Er erhob sich und begann auf und ab zu gehen, um einen Lachreiz zu unterdrücken, während Georgine ihre Wangen abtrocknete und etwas ruhiger wurde. »Diese Angelegenheit,« fuhr er fort, nachdem er dem jungen Mädchen eine kräftige Strafpredigt gehalten hatte, »ist darum nicht weniger beklagenswert, ich hoffe, daß dieser Thunichtgut Marius wenigstens über seine Streiche reinen Mund gehalten hat; ich werde ihm sofort den Kopf waschen, dann verhüten wir wenigstens dieses neue Aergernis.«
    »Ja, aber es war jemand da, der uns gesehen hat,« lispelte Georgine demütig. Und dann erzählte sie von dem plötzlichen Erscheinen Reginas.
    »Potztausend,« rief der Abbé, »das verdirbt alles!...Diese Nähterin ist eine Lästerzunge und hat ohne Zweifel schon geschwatzt... Jetzt bin ich gezwungen, mit deiner Mutter zu reden.«
    Nun begann Georgine aufs neue so zu weinen, daß es das Herz des Abbés rührte, »Sei getrost,« sagte er, als er sie schon halb beruhigt entließ, »betrübe dich nicht, ich nehme alles auf mich und werde sorgen, daß du nicht gescholten wirst,« Noch an demselben Tage begab er sich nach Salvanches, nahm Frau Grandfief beiseite und erzählte ihr die ganze Sache. Schon bei den ersten Worten geriet die tugendsame Dame in wütenden Zorn gegen Marius und schwur, sie werde selbst seine Unverschämtheit bei Gericht anzeigen.
    »Nur ruhig!« sagte der Abbé sanft, »in Georginens Interesse müssen wir im Gegenteil verhindern, daß diese unglückliche Geschichte unter die Leute kommt; leider wird es kaum mehr möglich sein, ganz darüber zu schweigen, denn der Auftritt hat einen Zeugen gehabt; Regina Lecomte, die Nähterin, hat alles gesehen.«
    Diese Mitteilung fachte die Wut Frau Grandfiefs nur noch mehr an, »Nun,« rief sie, »das ist ein Grund weiter, die beleidigende Gewaltthat dieses Menschen der öffentlichen Beurteilung anheim zu geben, und Georginens Unschuld ins rechte Licht zu stellen.«
    »Erlauben Sie,« sagte der Abbé, »man muß die Sachen nehmen, wie sie sind! Herr Laheyrard ist gewiß sehr schuldig, allein Georgine hat sich auch einige kleine Sünden vorzuwerfen; sie hat mir gestanden, daß sie nichts gethan habe, um diesen unbesonnenen jungen Menschen zu entmutigen, im Gegenteil...«
    »Das ist nicht möglich,« versicherte Frau Grandfief, »meine Tochter ist zu gut erzogen worden...«
    Der Abbé schüttelte den Kopf und berichtete alles, was ihm Georgine gebeichtet hatte. Frau Grandfief war fassungslos. »Wie unglücklich bin ich,« begann sie nach langem Schweigen, »Eine Tochter, der ich nur gute Grundsätze eingeflößthabe. Ich werde zum Gelächter der ganzen Stadt... Was ist zu thun, Herr Pfarrer?«
    »Es würde ein Mittel geben, alles wieder gut zu machen,« wagte der Abbé zu sagen, »Georgine liebt Herrn Laheyrard... verheiraten Sie sie miteinander!«
    Frau Grandfief fuhr auf; all ihr Stolz empörte sich in ihr, und sie erhob ein Zetergeschrei. »Niemals, niemals,« rief sie, »meine Tochter in eine solche Familie heiraten lassen, nach der skandalösen Geschichte mit Fräulein Laheyrard, ich würde mich zu Tode
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