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Gequält

Gequält

Titel: Gequält
Autoren: Hans Koppel
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beiseite, ging noch einmal zum Tabakladen und kaufte einen großen Vorrat an Süßigkeiten.
    Es war ungemein öde, dazusitzen, mit den Fingern aufs Lenkrad zu trommeln, nach einem vernünftigen Sender zu suchen und sich vorzustellen, mit welcher der nächsten zehn Frauen, die vorbeigingen, er vorzugsweise schlafen würde. Mit keiner, stellte er rasch fest. Großstadtfrauen waren ungeachtet ihres Aussehens durch die Bank unattraktiv. Weil sie so selbstgerecht waren und die Welt, die sie umgab und um ihre Aufmerksamkeit heischte, ihnen fast Unbehagen zu bereiten schien. Trotzdem fürchteten sie nichts mehr, als dass diese Aufmerksamkeit eines Tages plötzlich ausbleiben könnte.
    Odense schaute auf die Uhr. Zwanzig nach fünf. Er war hungrig. Einen Häuserblock weiter hatte er einen McDonald’s gesehen.

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    Es klingelte.
    »Komme«, rief Calle, schaute rasch in den Spiegel und öffnete.
    David trat ein und schloss die Tür hinter sich.
    »Gut siehst du aus«, sagte er und musste lachen.
    »Danke«, sagte Calle. »Du auch.«
    »Fällt dir nichts auf?«
    »Was?«
    David drehte Calle in Richtung des Spiegels. Beide waren identisch gekleidet: beige Chino und blaues Hemd.
    »Ich ziehe mich um«, sagte Calle.
    »Warum denn?«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein? Wir sehen aus wie zwei amerikanische Missionare.«
    Calle ging ins Schlafzimmer und zog sein Hemd aus. David folgte ihm und umarmte ihn. Zwanzig Minuten später waren sie beide wieder angekleidet. Jetzt trug Calle Jeans und ein T-S hirt.
    Nachdem Odense die Hamburger gegessen hatte, setzte die quälende Langeweile wieder ein. Er kurbelte die Scheibe herunter und rauchte eine Zigarette, löste das Sudoku aus der Zeitung und malte sich dann aus, wie es wäre, das Gymnasium nachzuholen, um einen normalen Beruf zu ergreifen. Da verließ der Schwule endlich das Haus, in Gesellschaft eines anderen Mannes. Entweder wohnten sie zusammen, oder der Mann war gekommen, während er was zu essen besorgt hatte. Sie bogen nach rechts ab und entfernten sich. Unglaublich! Jetzt fassten sie sich an den Po, vermutlich weil sie sich unbeobachtet glaubten.
    Odense stieg aus dem Auto und beschleunigte seine Schritte, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Der Journalist und sein Freund gingen Hand in Hand, stolz den Vorurteilen der Welt trotzend. Sehr überdeutlich und klar provokant. Plötzlich verstand Odense, was Sara damit gemeint hatte, dass Calle Collin homosexuell war. Wer die Normen der Gesellschaft derart herausforderte, musste sich nicht wundern, wenn ihm etwas zustieß.
    Calle und sein Freund waren fast gleich groß und waren von hinten kaum zu unterscheiden. Odense überlegte sich, wer welchen Part in der Beziehung spielte.
    Die verliebten Männer verschwanden in einem Restaurant. Durch das Fenster sah Odense, dass die Kellnerin sie wie Stammgäste begrüßte.
    Er kehrte zu seinem Mietwagen zurück und streckte die Arme zum Lenkrad aus. Er malte sich den Verlauf des Anschlags bildlich aus und wog verschiedene Möglichkeiten gegeneinander ab. Eine halbe Stunde später hatte er sich entschieden. Der neue Plan war einfacher als der ursprüngliche. Jemanden vorsätzlich totzufahren war praktisch unmöglich und erforderte sowohl eine gute Gelegenheit als auch ein großes Maß an Unvorsichtigkeit vonseiten des vorgesehenen Opfers. Zu viel konnte dabei schiefgehen.
    Das Einzige, was er für seinen neuen Plan benötigte, war ein stumpfer Gegenstand, und er wusste genau, wo er den finden würde. Er streifte Handschuhe über, stieg aus dem Auto und ging nochmals zu dem Haus, das renoviert wurde. In einem der Schuttsäcke fand er, was er suchte: ein altes, etwa ein Meter langes Eisenrohr. Damit spazierte er zum Restaurant.

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    »Hat es geschmeckt?«
    »Ja, wie immer sehr gut.«
    »Hervorragend.«
    Die Kellnerin räumte ab.
    »Ein Dessert? Kaffee?«
    »Nein danke. Wir wollen weiter. Wenn Sie uns die Rechnung bringen würden.«
    Die Kellnerin ging, und David verteilte den letzten Wein auf die Gläser. Sie prosteten sich zu.
    »Warum heißt es eigentlich mal Fraktur und mal Bruch?«, fragte Calle.
    David lachte.
    »Warum nicht?«
    »Oberschenkelhalsfraktur, aber Penisbruch.«
    »Hast du dir schon mal den Schwanz gebrochen?«
    »Ja.«
    »Im Ernst?«
    Calle wurde verlegen.
    »Das war zu meinen Glanzzeiten. Coming-out, und schon brach er mir seitlich weg. Es gab einen wahnsinnigen Bluterguss und tat sauweh.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Und du?«
    David schüttelte den
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