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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lord Sherry
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Jane mitteilte, eine sehr
geringe Gegenleistung für die ihr erwiesene Großmut seien. Der Viscount, der
Cassandra, Eudora und Sophronia nur um einen geringen Bruchteil weniger
verabscheute als ihre Mutter, hatte im Alter von fünfzehn Jahren erklärt, daß
sie seiner wohlüberlegten Überzeugung nach Biester seien, die ihre arme kleine
Cousine wie einen Hund behandelten. Als er jetzt Miss Wantage ansah, bereitete
es ihm daher keinerlei Schwierigkeiten, ihre zu allgemein gehaltenen Angaben
richtig zu interpretieren. «Haben dich diese Katzen wieder tyrannisiert?»
fragte er.
    Miss
Wantage schneuzte sich. «Ach, Sherry, ich muß Erzieherin werden», erklärte sie
traurig.
    «Was mußt
du werden?» fragte der Viscount.
    «Erzieherin.
Meine Cousine Jane will es haben.»
    «Habe noch
nie im Leben so einen Blödsinn gehört», sagte der Viscount leicht gereizt.
«Dazu bist du doch auch nicht alt genug.»
    «Cousine
Jane meint, daß ich alt genug wäre. Ich werde in vierzehn Tagen siebzehn, weißt
du?»
    «Soso, man
sieht es dir aber nicht an», sagte Sherry und tat die Sache damit ab. «Du warst
schon immer ein dummes kleines Ding, Hero. Du solltest nicht alles glauben, was
die Leute sagen. Zehn zu eins wette ich, daß sie es nicht so meint.»
    «O ja»,
sagte Miss Wantage traurig. «Weißt du, ich habe ja schon immer gewußt, daß ich
es eines Tages werden müsse, das war auch der Grund, weshalb ich das
abscheuliche Klavierspiel erlernen mußte und mit Wasserfarben malen, damit ich,
wenn ich einmal erwachsen bin, Erzieherin werden kann. Aber ich will es nicht
werden, Sherry, wenigstens jetzt noch nicht! Nicht
bevor ich mich wenigstens kurze Zeit unterhalten
habe!»
    Der
Viscount warf die Decke ab, die seine wohlgeformten Beine verhüllt hatte.
    «Jason,
spring ab und bewege die Pferde!» befahl er, sprang vom Kabriolett herunter und
schritt auf die niedrige Steinmauer zu. «Ist's hier feucht von dem Moos?»
fragte er mißtrauisch. «Ich will verdammt sein, wenn ich mir deinethalben oder
für jemand andern meine Reithosen ruinieren ließe!»
    «Nein,
nein, wirklich nicht», versicherte ihm Miss Wantage. «Du kannst dich auch auf
meinen Mantel setzen, Sherry.»
    «Ich kann
ohnedies nicht lange bleiben», kündigte .der Viscount an. Er schwang sich neben
sie auf die Mauer und legte seinen Arm brüderlich um ihre Schultern. «Und
jetzt weine nicht mehr, Fratz, denn wenn du weinst, siehst du verteufelt
häßlich aus», sagte er. «Außerdem kann ich es nicht vertragen. Aber warum hat
sich's diese alte Katze plötzlich in den Kopf gesetzt, dich wegzuschicken?
Wahrscheinlich hast du wieder etwas getan, was du nicht tun durftest?»
    «Nein, das
ist es nicht, obwohl ich eine ihrer schönsten Teetassen zerbrochen habe»,
sagte Hero und lehnte sich dankbar an seine Schulter. «Ich glaube, es ist zum
Teil, weil Edwin mich küßte.»
    «Jetzt
schwindelst du mich aber an», sagte Seine Lordschaft ungläubig. «Dein
lächerlicher kleiner Cousin Edwin hat nicht einmal genug Mumm, um ein
Stubenmädchen zu küssen!»
    «Ach,
darüber weiß ich nichts, Sherry, aber er hat mich geküßt, und das war
unbeschreiblich abscheulich, du kannst dir das gar nicht vorstellen. Und meine
Cousine Jane hat es irgendwie herausbekommen und gesagt, daß ich daran schuld
sei und daß ich ein berechnendes Frauenzimmer wäre und daß sie eine Schlange
an ihrem Busen genährt habe. Aber ich bin keine Schlange, Sherry!»
    «Mach dir nichts
draus», sagte Sherry. «Aber über Edwin kann ich mich nicht beruhigen. Das
übertrifft alles! Er muß betrunken gewesen sein, anders kann ich es mir nicht
erklären.»
    «Nein, das
war er wirklich nicht», sagte Hero ernsthaft.
    «Dann
beweist es nur, wie man sich in einem Menschen täuschen kann. Trotzdem, Hero,
du solltest es einem so jämmerlichen rotznäsigen Burschen wie diesem Edwin
nicht gestatten, daß er dich küßt. Das gehört sich nicht.»
    «Aber,
Sherry, wie hätte ich mich wehren sollen, wenn er mich gepackt und so
zusammengequetscht hat, daß ich kaum atmen konnte?»
    Der
Viscount lachte schallend auf. «Herrgott, wenn man bedenkt, daß Edwin sich in
so einen Mordskerl verwandelt hat! Mir scheint, ich werde dir einen Trick
beibringen müssen, damit du dich solcher Angriffe erwehren kannst. Verstehe
nicht, daß ich es nicht schon längst getan habe.»
    «Danke,
Sherry», sagte Hero, aufrichtig dankbar. «Nur glaube ich nicht, daß ich diesen
Trick noch brauchen werde, da man mich doch als Erzieherin in diese
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