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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lord Sherry
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auf der Straße begegnete.
    Eine
stattliche Reihe von Reitknechten und Stallburschen war schon im Dienste des
Viscount gestanden, aber es bedurfte eiserner Nerven, um mit ihm zu fahren,
wenn ihn eine seiner tollen Launen anwandelte; und da sich dies mit
beunruhigender Häufigkeit abspielte und nur zehn wenige Reitknechte die dafür
benötigte Geringschätzung des eigenen Lebens und ihrer geraden Glieder
besaßen, war keiner lange in seinen Diensten geblieben. Durch einen
glücklichen Zufall war er an das Individuum geraten, das sich nun hinter ihm an
seinen luftigen Sitz anklammerte. Die Bekanntschaft hatte damit begonnen, daß
er dem Viscount in dem Augenblick, als er aus dem Geschäft eines Juweliers in
Ludgate Hill trat, seine Geldbörse zu stehlen versuchte. Jason, dessen Leben in
einem Findelhaus begann und der über die Straßen Londons in einen Rennstall
geriet, von dort aber durch eine Reihe schimpflicher Umstände zurück auf die
Londoner Straßen, war wohl ein unbegabter Dieb, dafür aber unerhört geschickt
in der Behandlung von Pferden. Im selben Moment, als der Viscount den Burschen
beim Kragen erwischte und im Begriff war, ihn ins nächste Wachtzimmer zu
schleppen, nahm es einer der Vollblüter zwischen den Wagendeichseln Seiner
Lordschaft äußerst übel, daß ein anderer Wagen die Straße heraufkam, er bäumte
sich plötzlich in die Höhe und warf den Groom zu Boden, der, statt die Köpfe
der Pferde zu halten, den Viscount anstarrte. Es entstand sofort ein
ungeheures Getümmel, während dessen sich Jason aus dem gelockerten Griff des
Viscount befreite und, statt davonzulaufen, zum Kopf des scheuenden Tieres
eilte. In wenigen Augenblicken war die Ordnung wiederherge stellt, der Fuchs
hatte offenbar in dem zerlumpten, schmutzstarrenden Geschöpf, das ihn davor
bewahrt hatte, durchzugehen, seinen Herrn und Meister erkannt, und drängte sich
jetzt mit plumper Zärtlichkeit an ihn. Da der Fuchs aus guten Gründen das
unbeliebteste Tier in den Stallungen des Viscount war, ja, da er sogar in dem
Rufe stand, jeden aufs grausamste anzufallen, machte der Umstand, daß er seinen
Kopf vertrauensvoll an den übelriechenden Busen des Burschen sinken ließ, auf
seinen Besitzer den größten Eindruck. Der Viscount vergaß sofort den widrigen
Zwischenfall, der seine Aufmerksamkeit auf diesen Hexenmeister gelenkt hatte,
und ernannte ihn auf der Stelle zu seinem neuen Reitknecht. Jason – er hatte
keinen andern Namen und niemand, am wenigsten er selbst, wußte, wie er zu
diesem gekommen war – hatte in den von niemandem gezählten Jahren seines Lebens
noch nie ein so unbekümmert gutartiges Wesen kennengelernt, wie es der Viscount
war. Er tauchte allmählich aus seinem Trancezustand auf, in den ihn dieser
unerwartete Glücksfall Hals über Kopf befördert hatte, um sich im Dienste eines
Edelmanns zu finden, den seine Verwandten für unverbesserlich flatterhaft
hielten, in dem er selbst aber in einem Augenblick blendender Erleuchtung einen
Gott erblickte, der zur Erde herabgestiegen war.
    Der Viscount,
der nie die geringsten Anstalten zu seiner eigenen Bekehrung getroffen hatte,
trug viel dazu bei, den neuen Reitknecht zu reformieren, nicht etwa weil ihn
besonderer Eifer beseelte, sondern weil er dem Druck der Vorstellungen seiner
Freunde erlag, die erklärten, daß ein weiterer vertrauter Verkehr mit einem
Mann, von dessen Reitknecht man erwarten mußte, um Geldbörse, Uhrkette und
Siegel erleichtert zu werden, schwere Nachteile habe. Der Viscount versprach
diese Angelegenheit zu ordnen, was er auch tat, indem er den Reitknecht
kräftig verprügelte und ihn strengstens verwarnte, nie wieder einen seiner
Freunde zu bestehlen. Jason, dem die Prügel weniger ausmachten als der finstere
Blick seines Gottes, versprach, fürderhin den Pfad der Tugend und Redlichkeit
zu beschreiten. Er gab sich auch so große Mühe, sein Versprechen zu halten, daß
in kurzer Zeit ein warnendes Wort genügte oder schlimmstenfalls der Befehl,
wieder herauszugeben, was er einem zufällig begegneten Bekannten entwendet
hatte, um die äußerste Harmonie zwischen dem Viscount und seinen Freunden
wiederherzustellen.
    Im übrigen
erwies er sich, wenn es ihm auch an äußerem Schliff fehlte, als der ergebenste
Diener, den der Viscount je gehabt hatte. Nicht einmal ein Sklave hätte die
Launen seines Eigentümers kritikloser betrachten oder unermüdlicher in
hingebendem Fleiß sein können. Er war fünfmal aus dem Kabriolett Seiner
Lordschaft
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