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Generation P

Generation P

Titel: Generation P
Autoren: Viktor Pelewin
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Sie’s denn gern gewesen?«
    »Warum nicht? Gemahl der Großen Göttin, das ist doch was! Ein rein rituelles Amt – keinerlei Verpflichtungen, viel Einfluß. Im Grunde unbeschränkt. Hängt natürlich vom eigenen Horizont ab, was man daraus macht. Deinem seligen Vorgänger hat die Aufwartung jeden Morgen das Kokain aus dem Eimer auf den Teppich geschippt. Landhäuser bauen, Kunst kaufen – mehr ist ihm nicht eingefallen. Ich sag ja, eine Mesalliance.«
    »Kann ich auch ablehnen?«
    »Ich glaube kaum«, sagte Valasnam.
    Tatarski spähte durch die offenstehende Tür in die Umkleidekabine, wo schon wieder Seltsames vor sich ging: Maljuta und Sasha Blo mühten sich, Asadowskis Leichnam in einem kugelförmigen grünen Container zu verstauen. Der Körper, absonderlich verrenkt, war schon drin, nur ein behaartes Bein samt roter Badesandalette wollte nicht mehr hineinpassen.
    »Was soll diese Kugel?«
    »Hier unten sind die Flure lang und schmal«, erwiderte Valasnam. »Da schleppt man sich einen ab. Rollen ist viel bequemer. Und oben auf der Straße stellt auch keiner dumme Fragen. Das war Semjon Welins letzter Einfall vor seinem Tod. Was für ein Designer! Den hat dieser Idiot auch auf dem Gewissen. Ich wünschte, Semjon könnte das noch erleben!«
    »Und warum ist die Kugel grün?«
    »Keine Ahnung. Ist das wichtig? Babi, such bitte nicht in allem eine symbolische Bedeutung. Sonst findest du sie am Ende noch und bezahlst dafür.«
    Im Umkleideraum knackte etwas. Tatarskis Gesicht verdüsterte sich.
    »Kriege ich auch irgendwann die Schlinge um den Hals?« fragte er.
    Valasnam zuckte mit den Schultern.
    »Die Große Göttin wechselt ihre Männer mitunter, das hast du mitbekommen. Berufsrisiko. Wer Maß hält, kann aber durchaus alt werden. Der schafft es gar bis zur Rente. Wichtig ist, daß du nicht an Herzdrücken stirbst, sondern mit deinen Problemen zu mir kommst. Und es wird gut für dich sein, auf meinen Rat zu hören. Einen hätte ich schon: Wenn du in Asadowskis Kabinett umziehst, räum diesen Kiffteppich raus. Sonst kursieren in der Stadt noch Gerüchte, und du hast ständig irgendwelche ultralinken Müßiggänger auf der Matte stehen. Das muß nicht sein.«
    »Den Teppich kann ich wegräumen. Aber wie erklären wir den Leuten, daß ich dort einziehe?«
    »Da gibt es nichts zu erklären. Die es was angeht, verstehen es von selber. Und andere sind bei uns nicht beschäftigt.«
    Maljuta steckte den Kopf zur Tür herein; er war bereits umgezogen. Für eine Sekunde starrte er Tatarski an, senkte dann den Blick und reichte Valasnam das Mobiltelefon des Toten.
    »Rausrollen?« fragte er in beflissenem Ton.
    »Nein, reinrollen«, spottete Valasnam. »Du kannst blöde Fragen stellen.«
    Als das ohrenbetäubende Rumpeln in den Tiefen des Gangs verebbt war, fragte Tatarski leise:
    »Herr Valasnam, sagen Sie doch mal ehrlich . . .«
    »Ja?«
    »Wer ist bei alledem die oberste Instanz?«
    »Ich gebe dir den guten Rat, dich darum nicht zu kümmern«, sagte Valasnam. »Um so länger wirst du dich deines göttlichen Lebens freuen. Ich könnte dir, auch wenn ich wollte, keine Antwort geben. Trotz der vielen Jahre im Geschäft.«
    Er ging am Altar vorbei, öffnete mit einem Schlüssel eine halbhohe Geheimtür in der Wand und betrat gebückt den dahinterliegenden Raum. Gleich darauf wurde es dort hell, und Tatarski erblickte eine große Apparatur, die aussah wie ein aufgeklapptes schwarzes Buch mit zwei senkrechten Milchglaszylindern an den Seiten. An der ihm zugewandten schwarzen Frontseite prangte das Compuware-Logo, daneben ein weiteres, das er nicht kannte. Vor der Maschine stand eine Art Zahnarztstuhl mit Riemen und Schnallen.
    »Was ist das?« fragte Tatarski.
    »Ein 3-D-Scanner.«
    »Und wozu steht der hier?«
    »Um ein Wölkchen von dir zu scannen, zum Beispiel.«
    »Muß das sein?«
    »Aber ja. Das Ritual besagt, daß du erst dann als Gemahl der Großen Göttin zu gelten hast, wenn dein Digitalsatz existiert. Wenn man sich sozusagen ein Bild von dir gemacht hat.«
    »Ach, und dann werde ich wie Asadowski in alle möglichen Spots und Sendungen gestanzt?«
    »Darin besteht deine sakrale Hauptaufgabe. Die Göttin hat ja keinen eigenen Körper, sie hat nur einen Ersatz dafür. Ihre Körperlichkeit besteht in der Summe aller in der Werbung verwandten Bilder. Und da sie in dieser Form auftritt, mußt du, um deine Quasi-Göttlichkeit zu verkörpern, auf die gleiche Weise präsent sein. Nur so habt ihr die Möglichkeit zur
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