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Generation P

Generation P

Titel: Generation P
Autoren: Viktor Pelewin
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Infanten in einer wenig bekannten rosa Version. Sie sehen hier die notarielle Beglaubigung des Büros Oppenheim & Radler, daß das Bild für siebzehn Millionen Dollar aus einer Privatsammlung angekauft wurde.«
    Tatarski beschloß, seiner Verwunderung einstweilen keinen Ausdruck zu geben. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob ihn etwas wunderte oder nicht.
    »Und das da?« fragte er, auf das benachbarte Blatt mit Text und Stempel deutend.
    »Oh, das ist unsere Perle! Ein Goya. Maya mit Fächer im Garten. Von einem kleinen kastilischen Museum erworben. Oppenheim & Radler beurkunden schwarz auf weiß einen Kaufpreis von achteinhalb Millionen. Einfach phantastisch.«
    »Ja«, sagte Tatarski, »wirklich allerhand. Wobei ich gestehen muß, daß meine Interessen mehr im Bereich Plastik liegen als in der Malerei.«
    »Natürlich«, sagte die Sekretärin. »Wo Sie doch in drei Dimensionen zu arbeiten gewohnt sind, nicht wahr?«
    Tatarski sah sie fragend an.
    »Na, die 3-D-Graphik. Mit diesen Dummies und dem allen.«
    »Ach so, das meinen Sie. Ja, ja. Gewohnt zu arbeiten und zu leben.«
    »Hier haben wir eine Plastik«, sagte die Sekretärin und zog Tatarski vor ein neues Blatt Schreibmaschinenpapier, der Text war etwas länger als die anderen. »Picasso, Die Laufende. Keramik. Sieht gar nicht aus wie Picasso, werden Sie sagen. Da haben Sie recht. Das liegt an der postkubistischen Periode. Fast dreizehn Millionen Dollar, können Sie sich das vorstellen?«
    »Und wo ist die eigentliche Figur?«
    Die Sekretärin zuckte die Schultern.
    »Das weiß ich gar nicht. In irgendeinem Depot, nehme ich an. Wenn es Sie interessiert, wie sie aussieht – dort vorn auf dem Tisch liegt ein Katalog.«
    »Was tut es denn zur Sache, wo die eigentliche Figur ist?«
    Tatarski fuhr erschrocken herum. Asadowski hatte sich unbemerkt angeschlichen.
    »Nicht viel vielleicht«, sagte Tatarski. »Ich gebe allerdings zu, daß ich einer Sammlung dieser Art zum erstenmal gegenüberstehe.«
    »Es ist die allerneueste Tendenz im Ausstellungsdesign«, bestätigte Alla. »Monetaristischer Minimalismus. Hat seine Wiege, nebenbei gesagt, in Rußland.«
    »Geh dich amüsieren«, sagte Asadowski zu seiner Sekretärin und wandte sich Tatarski zu. »Gefällt es dir?«
    »Interessant. Nur nicht ganz zu begreifen.«
    »Dann laß es dir erklären. Diese blöde spanische Sammlung ist um die zweihundert Millionen wert. Dazu kommen noch mal schlappe hunderttausend für die Sachverständigen: welches Bild reinpaßt und welches nicht, welche Hängung und so weiter. Alles, was in den Briefen steht, ist wirklich angeschafft. Aber wenn man diese Schinken und Büsten alle rankarren würde und womöglich noch die Rüstungen und Gobelins dazu, dann wäre hier kein Durchkommen mehr. Und man hätte den Staub in der Nase. Außerdem. . . Wenn ich ehrlich sein soll: Man guckt sich so ein Bild einmal an, vielleicht noch ein zweites Mal, und dann? Hängt es einem zum Hals raus. Hab ich recht?«
    »Kann passieren.«
    »Und ob. Warum soll man die Dinger dann um sich haben? Und davon abgesehen, ist der Picasso sowieso ein Spinner.«
    Tatarski schluckte.
    »In dem Punkt bin ich etwas anderer Meinung. Oder sagen wir, ich bin derselben Meinung, aber nur, was die postkubistische Periode angeht.«
    »Ich sehe, du bist Experte«, sagte Asadowski. »Da kann ich nicht mithalten. Wozu auch? In einer Woche hängt hier schon die französische Sammlung. Stell dir vor, gerade hast du dich in die eine eingefuchst, schon ist Dekowechsel, und du fängst von vorne an. Wo soll da der Sinn sein?«
    Tatarski wußte nicht, was er darauf sagen sollte.
    »Gibt keinen, sag ich doch«, konstatierte Asadowski. »Okay, laß uns rübergehen und anfangen. Nachher sind wir ja wieder hier. Und trinken Champagner.«
    Er hatte kehrtgemacht und lief auf die Spiegelwand zu, Tatarski folgte ihm. Als sie knapp davor standen, stieß Asadowski die Hand nach vorn, und ein Spiegelstreifen drehte sich lautlos um seine senkrechte Achse, wobei ein greller Lichtreflex über Tatarski hinwegglitt. Ein Spalt tat sich auf, in dem ein Gang aus grob gefugten Steinwänden sichtbar wurde.
    »Bitte«, lud Asadowski ein. »Aber den Kopf einziehen, die Decke ist niedrig.«
    Tatarski betrat den Gang, der so klamm war, daß ihn gleich wieder fröstelte. Krieg ich vielleicht bald mal was anzuziehen? dachte er. Der Gang, dem Anschein nach lang, verlor sich im Dunklen. Ab und zu trat Tatarski auf einen spitzen Stein und verzog das Gesicht vor
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