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Generation P

Generation P

Titel: Generation P
Autoren: Viktor Pelewin
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lachend die Tür und verschwand in einem Streifen goldenen Lichts.
    Tatarski begann sich anzukleiden. Der ihm von Asadowski zugedachte Rock bestand aus zotteligen Wollvliesstreifen, die aneinandergeheftet und auf Adidas-Nylonshorts geklebt waren. Irgendwie fand er hinein. Ohne das Bild Ebich-ils vor Augen hätte er stark bezweifelt, daß die einstigen Bewohner des Zweistromlandes dergleichen auf dem Leib trugen. Dann setzte er eine der Masken auf (sie drückte schmerzhaft) und ergriff den Spiegel. Gold und Bronze waren zweifellos echt, man merkte es schon am Gewicht. Er atmete tief durch und stieß die Tür mit dem Sägezahnsymbol auf.
    Der Raum, den er betrat, war rund und von goldenem Leuchten so erfüllt, daß es blendete. Die Wände waren mit Blattgold beschlagen und reflektierten das kräftige Licht von Studioscheinwerfern; nach oben hin gingen sie in eine geschwungene Kegelform über, man fühlte sich wie in einem von innen vergoldeten Zwiebelturm. Genau der Tür gegenüber stand ein Altar: ein würfelförmiges goldenes Postament, darauf ein großes, massives Kristallauge mit Emaillehornhaut und verspiegelter Pupille. Vor dem Altar auf dem Boden stand ein goldener Kelch, links und rechts davon posierten zwei steinerne Sirrufs mit Resten von Gold und Bemalung an den Flanken. Über dem Auge hing eine Relieftafel aus schwarzem Basalt, die gleichfalls sehr alt aussah. Darauf fand sich, schön in der Mitte, die ägyptische Hieroglyphe für »schnell« wieder; um sie herum waren weitere vertrackt ausschauende Figuren versammelt. Tatarski konnte einen komischen, fünfbeinigen Hund erkennen und eine Frau mit hoher Tiara, die, einen Becher in der Hand, auf eine Art Couch hingebreitet lag. Näher zu den vier Rändern der Tafel waren vier furchterregende Tiere abgebildet, und zwischen Hund und Frau sproß ein Gewächs aus dem Boden, das eine Venusfalle hätte sein können, nur daß die Wurzel sich in drei lange Triebe teilte, von denen jeder mit einem rätselhaften Zeichen markiert war. Außerdem waren Auge und Ohr in den Stein gemeißelt, beide in ansehnlicher Größe; die Zwischenräume waren mit Keilschriftblöcken dicht ausgefüllt.
    Asadowski – goldene Maske, Rock und rote Badesandaletten – saß auf einem Klappstühlchen unweit des Altars. Der Spiegel ruhte auf seinem Knie. Weiter schien niemand anwesend zu sein.
    »Boah!« sagte Asadowski und hob den Daumen. »Scharf siehst du aus. Was denn, geht dir immer noch die Muffe? Komm bloß nicht auf die Idee, einen Rückzieher zu machen, wir lassen uns hier nicht übern Tisch ziehen. Mir persönlich ist der ganze Zauber Wurscht, aber wenn du in unserem Geschäft mitmischen willst, kommst du nicht drum herum. Also, ich werd dir jetzt alles Pi mal Daumen auseinanderklamüsern, wenn du’s genauer wissen willst, mußt du den großen Boß fragen, der wird gleich dasein. Hauptsache, du siehst die Sache nicht so eng. Cool bleiben ist die Devise. Bist du früher mal im Ferienlager gewesen?«
    »Ja«, sagte Tatarski, der sich fragte, welcher große Boß gemeint war.
    »Und da gab’s doch bestimmt ein Neptunfest? Wo alle getaucht worden sind?«
    »Klar.«
    »Bild dir am besten ein, wir hätten heute wieder mal Neptunfest. Aus alter Tradition. Die Sache ist die: Es hat da früher mal eine Göttin gegeben. Nicht wirklich – die Story geht so. Angeblich waren damals die Götter sterblich und schleppten ihren Tod mit sich rum wie normale Menschen. Als ihre Zeit gelaufen war, sollte die Göttin also abtreten. Das fand sie logischerweise nicht so toll. Und darum hat sie sich gezweiteilt: in den Tod und in das, was keinen Bock aufs Sterben hatte. Da, auf dem Bild, siehst du?«
    Asadowskis Finger wies auf die Tafel über sich.
    »Das nette Hündchen dort, das ist ihr Tod. Und die Alte mit dem Husarenhelm, das ist sie selber. Weiter im Text, du darfst mich nicht unterbrechen, sonst verlier ich den Faden. Wie sie sich entzweit hatten, ging der Krieg zwischen ihnen los. Der stand lange auf der Kippe. Die letzte Schlacht hat beim Teich von Ostankino stattgefunden, also da, wo wir jetzt sind, aber nicht unter der Erde, sondern im Himmel. Darum ist das hier ein heiliger Ort, mußt du wissen. Wie gesagt, der Kampf stand lange unentschieden, aber am Ende sah es so aus, als würde der Hund die Göttin kleinkriegen. Und da haben die anderen Götter das Fracksausen gekriegt, sie sind dazwischengegangen und haben die beiden gezwungen, Frieden zu schließen. Es gab eine Art Vertrag, der Text
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