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Generation A

Generation A

Titel: Generation A
Autoren: Douglas Coupland
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Astrolite Gaming Center in der Rue Claude Decaen geworfen wurde. Ich hatte das, was man gemeinhin einen Ausraster nennt. Den hatte ich, weil ich gerade glatte 114 Tage mit World of Warcraft zugebracht hatte und kurz davor war, eine vierundzwanzigstündige Levelling-Orgie zu beenden, als mein Avatar verschwand. Nicht mal eine kleine Rauchwolke - ich, Xxanthroxxusxx, hörte einfach auf zu existieren. Ich tat dann, was man in so einem Fall tut. Ich schloss das Programm. Ich trennte die Verbindung. Ich rebootete. Ich checkte die Options und Preferences. Ich loggte mich wieder ein. Und war immer noch weg.
    Bliep.
    Ich geb ja gerne zu, dass ich nicht der umgänglichste Mensch bin.
    Das liegt einfach daran, dass ich mir selbst hohe Maßstäbe setze.
    Wenn die Leute nicht bereit sind, meinen Maßstäben zu genügen, bin ich nicht bereit, ihnen Respekt entgegenzubringen, besonders nicht Luc, dem klebrigen Scheißer am Empfang bei Astrolite, der den ganzen lieben Tag lang in einen blauen Rubbermaid-Spucknapf rotzt.
     
    In einen Spucknapf.
    Er meint, es würde ihn interessant machen; ich halte es für die Bankrotterklärung der Gattung Mensch. Aber sogar der schmierige Luc müsste begreifen, dass niemand es leichtnimmt, wenn sein »Selbst« aus welcher Welt auch immer ohne Grund plötzlich verschwindet. Ja, man hat sogar ein Recht darauf, auszurasten, wenn so was passiert. Luc hätte dafür mehr Verständnis haben müssen, und ich hätte trotz meiner Erregung nicht seine Mangabegeisterung als eskapistischen, bourgeoisen Ökotourismus des Gehirns schmähen dürfen. Oder so was in der Art. Ich weiß nicht mehr genau.
    Jedenfalls landete ich so auf der Straße, hinausgestoßen in ein Freiluft-Las-Vegas-Kasino, in dem Zeit keine Bedeutung mehr hatte. Draußen schien die Sonne - würg! Vormittagssonne oder Nachmittagssonne? Um Mittag rum, schätze ich mal. Ich sah mich um, sah die Autos, die Starbucks-Cafes, die Schaufenster, die Menschen in mittlerem Alter, die zufrieden und reich aussahen, und dachte:
    Ich hasse diese Welt. Ich hasse es, dass alles eine Oberfläche hat - hart, weich - und dass alles nach irgendwas riecht: nach Kastanienblüten oder Brathähnchen.
     
    Ich hasse die Art, wie sich unsere Körper durch die Welt bewegen, klippklapp, wie Fleischmarionetten. Ich hasse es, dass die Welt sich in eine riesige Hamburgermaschine verwandelt hat, dass die Welt sich heutzutage nur noch um den Menschen dreht - alles Übrige auf unserem Planeten muss sich unserm Willen beugen, weil es keine andere Wahl mehr gibt. Die Fundamentalisten haben gejubelt, als die Bienen ausstarben; sie sahen darin den Beweis, dass der Planet einzig und allein für uns Menschen da war. Wie kann man angesichts solcher Einstellungen nicht den Wunsch haben, rauszulaufen und auf die Straße zu kotzen? Und da fragte ich mich: Julien, bist du jetzt etwa ein Öko geworden? Dann fiel mir wieder World of Warcraft ein, und ich schlurfte den Boulevard Poniatowski runter, bog ab in die Avenue du General Dodds, wo ich der Hunde-Merde und den Touristen auswich, die zu blöd sind, zu begreifen, dass sie sich im 12. Arrondissement befinden, und bin dann über die Avenue du General Laperrine (all diese Generäle, all diese Kriege) rein in den Bois de Vincennes, so würdig, so langweilig, so dauerhaft und ein bisschen zu viel für meinen Kopf in dem Moment. Mein Kopf war ein totales Chaos. Also habe ich mich neben zwei Omas mit Zukunftsängsten auf eine Bank gesetzt. Ich hab mir die Bäume angeguckt.
    Welche Jahreszeit war gerade? Sommer? Herbst? Die Blätter fallen heutzutage nicht mehr einfach vom Baum, oder? Die hocken eher so auf dem Ast und begehen willkürlich irgendwann vor Januar Selbstmord. Jahreszeiten sind passe. Nur Trottel glauben noch an Jahreszeiten.
    Ich starrte auf ein welkes Blatt, während das Gekeife der alten Hexen mein Trommelfell malträtierte. Ich gab einen angewiderten Laut von mir und sagte: »Gott, wie hasse ich diese Welt.« Und da wurde ich gestochen - ein Gefühl, als hätte man sich an Papier geschnitten, aber auf einen einzigen Punkt der Haut konzentriert.
    Ralphe hat mich mal in einem Klub mit einer Nadel gestochen und dann erklärt, jetzt hätte ich Aids - Ausraster war noch niedlich ausgedrückt! Ralphe ist ein Arschloch, und die Nadel war eine Lasche von einer Cola-Dose, die er irgendwie zu so einem kleinen Pieksding zusammengebogen hatte. Aber sie hat wehgetan und der Bienenstich auch.
    Ich guckte mir dieses geflügelte Insekt auf
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