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Generation A

Generation A

Titel: Generation A
Autoren: Douglas Coupland
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nicht mit sonderlich hohen Ernteerträgen beeindrucken - das gesamte Getreide war mit einem Gen kontaminiert, an dem zwar keine Bienen (das war Geschichte), dafür aber Motten und Wespen eingingen. In einer ungewöhnlichen Anwandlung von Gemeinsinn hatte die Stärkeindustrie beschlossen, die Ernte zu vernichten. Ich war deswegen nicht übermäßig sauer - man musste auch die gute Seite sehen: Subventionen! Daher konnte ich diese Scheißstengel, obwohl die Quasten austrieben, ummähen, wie ich Lust und Laune hatte.
    Der verhängnisvolle Augenblick kam, kurz nachdem mir Charles von einem Lap-Dance erzählt hatte, den er in der Vorwoche in einem Nachtklub mit Pre-op-Transen gewonnen hatte. Eins von Maizies Fenstern klapperte leicht, also rüttelte ich ein bisschen an den Scharnieren. Ich öffnete und schloss es ein paarmal und, zackbumm, dabei wurde ich gestochen.

SAMANTHA
    PALMERSTON NORTH, WANGANUI, NEUSEELAND
    Also.
    Als ich gestochen wurde, stand ich gerade auf einem Grashubbel neben einem blühenden Ramayana-Strauch, während ein kleiner Schwärm Lachtauben über mich hinwegsauste. Es war beinahe wie früher, als blühende Sträucher und Blumen noch eine Selbstverständlichkeit für uns waren. Dieser bewusste Flecken Gras befand sich an der Ecke Weber Fork Road und Route 52, so abgelegen, wie es auf dieser Insel nur sein kann - zweiunddreißig Kilometer von der Küste entfernt im hügeligen Osten der Provinz Wanganui.
    Das war so: Ich hatte eine Scheibe faden Weißbrots aus der Tüte vom Bäcker genommen und auf ein kleines Fleckchen gelben Sands am Boden geklatscht. Ich stand da und wollte die Brotscheibe mit meinem Handy fotografieren. Was soll das denn?, höre ich euch fragen. Ausgezeichnete Frage. Ich machte ein »Erdsandwich«. Was ist denn ein Erdsandwich? Na schön. So nennt man es, wenn man per Online-Karte den vom eigenen Standort aus gesehen genau entgegengesetzten Ort auf der Erdkugel lokalisiert und dann jemanden dort in der Nähe kontaktet. Wenn man dann bis auf den Zentimeter genau die GPS-Koordinaten berechnet hat, legt man an die Stelle eine Scheibe Brot, schaltet sich über Handy zusammen und macht gleichzeitig die Fotos: zwei Brotscheiben mit einem Planeten dazwischen.
    Das ist so ein Internetding. Man macht das Sandwich, stellt es ins Netz, und vielleicht sieht es irgendwer irgendwo. Sobald das passiert, hat man ein Kunstwerk erschaffen. Bingo.
    Der Mensch auf der anderen Seite der Erde war ein Mädchen, Simone Ferrero, das um zehn Uhr abends im Zentrum von Madrid an der Ecke Calle Gutenberg und Calle Poeta Esteban de Villegas stand - in Neuseeland war es also zehn Uhr morgens. Wir wussten voneinander nur, dass wir uns im Internet verabredet hatten, um zusammen ein Sandwich zu machen.
    Das Blöde ist, dass es uns Neuseeländern schwerfällt, Mitspieler zu finden. Der Großteil der Landmasse unseres Planeten liegt oberhalb des Äquators und hat als möglichen Sandwichpartner bloß Meer. Die andere Seite des nordamerikanischen Sandwichs besteht zum Beispiel gänzlich aus dem Indischen Ozean. Honolulu bringt ein kleines Sandwich mit Simbabwe zustande, aber mehr Brote kriegen die Yankees, Mexikaner und Kanadier nicht geschmiert.
    Tatsache ist, dass ich, selbst als ich das Foto machte und gestochen wurde, mit meinen Gedanken woanders war. Ich hatte an diesem Morgen einen komischen Anruf von meiner Mutter bekommen. Es war der einzige Tag in der Woche, an dem ich ausschlafen konnte, aber dummerweise hatte ich vergessen, mein Handy abzustellen. An den sechs übrigen Tagen der Woche stehe ich um fünf Uhr auf, weil ich um sechs im Fitnessstudio sein muss, wo ich als Trainerin arbeite, und an meinem einzigen freien Tag geh ich ans Telefon und ...
    »Guten Morgen, Samantha.«
    »Mum.«
    »Hab ich dich geweckt? Es ist halb neun. Ich war sicher, du wärst schon auf.«
    »Was ist denn los, Mum? Warte mal - ich dachte, ihr wärt in Urlaub.«
    »Sind wir auch. Wir sind sechzig Fahrminuten außerhalb von Darwin in einem reizenden kleinen Ferienhaus und hatten zum Frühstück Schokoladenbrioches und Milch und - oh, tut mir leid, Kind, ich komme vom Thema ab.«
    »Von welchem Thema?«
    »Ich ... wir ... dein Vater und ich müssen dir etwas sagen.«
    Auweia. Ich machte mich aufs Schlimmste gefasst, meine grauen Zellen schrien bereits nach Kaffee.
    »Wir haben uns beraten und beschlossen, dass wir dir etwas sagen müssen.«
    Krebs? Offenbarungseid? Doppeltes Auweia. »Was ist los?“
    »Dein Vater und ich sind zu
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