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Generation A

Generation A

Titel: Generation A
Autoren: Douglas Coupland
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dem Schluss gekommen, dass wir an nichts mehr glauben.“
    »Ihr seid was?«
    »Was ich gerade gesagt hab.«
    »Mein Gott, Mum. Du rufst mich an einem Montagmorgen in aller Herrgottsfrühe an, um mir zu sagen, dass ihr an nichts mehr glaubt?«
    »Genau.«
    »Du meinst, an Gott und so? Oder Religion?“
    »Beides.«
    Ich ging in die Küche, um die Braun anzuschmeißen. Mein Sittich Timbo, das fröhliche Andenken an eine gescheiterte Beziehung, saß draußen auf einem Verandastuhl, krächzte unentwegt »die scheußlichste Toilette in Schottland« und wartete auf sein Frühstück. »Schön. Und warum erzählst du mir das?«
    »Nun ja, weil ich glaube, dass du immer noch an Dinge glaubst.«
    »Was meinst du damit, Dinge?«
    »Gott. Das Leben nach dem Tod. So was in der Art.«
    »So was in der Art?« Mein lückenhaftes Glaubenssystem war zu dieser Stunde des Tages nicht verhandelbar, und mein Gehirn war schon damit überfordert, zu ergründen, worauf dieses Telefonat hinauslief.
    Ich öffnete das Fenster und warf Timbo einen Pfeilwurzkeks zu.
    »Und? Woran hast du denn geglaubt, bevor du aufgehört hast, an was zu glauben, Mum?«
    Im Hintergrund begann die Braun zu zischen, und ich war dankbar, dass das Verschwinden der Bienen nicht die weltweite Kaffeeernte zunichte gemacht hatte.
    »Ehrlich gesagt an nicht viel. Aber wir haben beschlossen, es amtlich zu machen.«
    »Das ist ziemlich seltsam, Mum.«
    »Nicht seltsamer als der Nachmittag, an dem du verkündet hast, du würdest Vegetarierin werden.«
    »Da war ich dreizehn. Es gab nur das oder eine Essstörung.“
    »Man glaubt, woran man glaubt.«
    »Bockmist, Mum, aber ihr glaubt ja an nichts. Hast du doch gerade gesagt. Und ich muss dir eine unhöfliche Frage stellen, aber hast du irgendwas genommen?«
    »Sam! Natürlich nicht. Wir nehmen nur Solon. Das ist ungefährlich.«
    »Solon? Das Giftzeug, mit dem die Zeit schneller vergeht?“
    »Nicht doch. Solon ist ein wundervolles Medikament, von dem mir ganz ruhig im Kopf wird.«
    »Okay. Für mich bleibt es eine Droge.«
    Meine Mutter seufzte, und das war mein Stichwort, pflichtgemäß etwas Aufmunterndes zu sagen, mein Job als Erstgeborene in der Familie. Also sagte ich: »Es war sehr aufmerksam von euch, mich anzurufen und mir Bescheid zu geben.«
    »Danke, Herzchen. Ich weiß ja nicht, wie deine Brüder es aufnehmen werden.«
    »Denen wird es egal sein. Die denken über solche Sachen nicht nach.«
    »Da hast du recht.«
    Tatsache ist, meine beiden Brüder sind Flachwichser und haben meine Gutmütigkeit oft genug auf eine harte Probe gestellt, indem sie mich entweder anpumpten oder erwarteten, dass ich sie nach jeder ihrer zahllosen gescheiterten Beziehungen mit den fiesesten Weibern der Nordinsel wieder aufbaute. Ich goss mir Kaffee ein und verdünnte ihn mit heißem Leitungswasser. »Und, glaubst du, das wird Auswirkungen auf euer Leben haben?«
    »Wahrscheinlich keine nennenswerten. Wir wollen ja nicht missionieren - wenn Bekannte von uns weiter an irgendwas glauben wollen, sollen sie das ruhig tun.«
    »Und das ist alles?«
    »Das ist alles.«
    »Gut.«
    Wir legten auf, und ich guckte auf meine Laptop-Uhr. Das Erdsandwich würde mich von alldem ablenken. Ich trank meinen Kaffee aus, duschte, zog mich an, schnappte mir das Inhaliergerät für mein Asthma und war schon unterwegs nach -40.4083 0 ,176.3204 0 .
    Die Straße aus Palmy raus nach Osten war frei.
    Nach meinem Telefonat mit Mum machte ich mir Gedanken über Eltern und wie sie die eigenen Wertvorstellungen prägen. Egal, was Eltern tun, ob es gut oder schlecht ist, es erlaubt dir, ihnen reinen Gewissens nachzueifern. Daddy klaut Autos? Na, worauf wartest du!? Deine Mum geht jeden Sonntag zur Kirche? Dann machst du das mal besser auch. Das heißt, wenn deine Eltern beschließen, an nichts mehr zu glauben, kannst du kaum dagegen rebellieren, denn das hieße, gegen nichts zu rebellieren; du hängst moralisch in der Luft. Wenn du es machst wie sie und auch an nichts mehr glaubst, ist es dasselbe: Nichts zu kopieren gibt null. In jedem Fall bist du verarscht.
    Ich kurvte die Hügel hoch. Woran glaubte ich? Ich hatte mit meinen sechsundzwanzig Jahren fünf verschiedene Freunde gehabt, und sie alle hatten auf dem Kofferraum ihres Wagens die eine oder andere Version des christlichen Fischsymbols zur Schau gestellt.
    Bloßer Zufall?
    Zuerst war da Kevin gewesen, das Katalogmodel mit dem verstrubbelten Haar. Der hatte einen Fisch mit aufgesperrtem Maul auf seinem Honda
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