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Generation A

Generation A

Titel: Generation A
Autoren: Douglas Coupland
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kleben. Kevin hatte immer irgendwelche religiösen Vorwände gefunden, um sich vor der Realität zu drücken, der denkwürdigste war, dass er mich nicht vom Flughafen abholte, weil er mit einer christlichen Männergruppe ein paar Körbe werfen musste. Trennungsgrund. Dann Miles, der Deadhead und Atheist, in dessen Fisch DARWIN stand. Nach ihm kam Hai; in seinen silbernen Fisch waren noch die Worte »and Chips« geschrieben. Auf Hai folgte Ray, ein totaler Wichser - keine Ahnung, wieso ich mit dem zusammen war. Einen wie Ray hat jeder in seiner Vergangenheit. Rays Fisch war nicht witzig oder ironisch oder so was - er war bloß ein Fisch. Schließlich war da Reid mit seinem Fischskelett in Chrom. Ich hatte geglaubt, Reid würde der fürs Leben sein, aber er unterschied sich in seiner Entschlossenheit, keinerlei feste Bindung einzugehen, in nichts von den anderen.
    Mein Gott, seht euch an, wie ich diese Männer über einen Kamm schere. Um fair zu sein - die würden mich wahrscheinlich als zickiges Fitnessstudio-Häschen beschreiben und geltend machen, sie seien schließlich nicht dazu da, mich mit ihrer jeweiligen Fischversion zu speisen wie Jesus die fünftausend.
    Na gut, mir ging also einiges durch den Kopf, als ich meine Scheibe Brot an dem nach Schaf stinkenden Straßenrand fotografierte, nicht zuletzt Neid, weil ich auf dieser Hemisphäre war, der Loser-Hemisphäre, genau gegenüber von Madrid, und Traurigkeit, weil mit den Bienen auch so viele Blumen vom Wegesrand verschwunden waren: das Katzenpfötchen, die Rotgefleckte Gauklerblume, die Laugenblume, die Pechnelke. Ich empfand ein Staunen über die Größe des Planeten und meine sinnlose kleine Rolle darauf beziehungsweise darunter.
    Dann klingelte mein Handy, und ich wurde, wie gesagt, gestochen.
    Bingo.
     

JULIEN
    12. ARRONDISSEMENT, PARIS, FRANKREICH
    Ich finde, Schicksal ist eine echt abgelutschte Vorstellung. Alles auf dieser Welt beruht auf Ursache und Wirkung, ist Prozess, nicht Vorsehung. Der Stich einer Biene? Wie sentimental. Wie altmodisch.
    Und nachdem wir dann gestochen worden waren, sind sie mit uns umgesprungen wie mit einer Sammlung Wonka-Kinder. Pfft.
    Ich wurde gestochen, als ich im Bois de Vincennes neben zwei so alt gewordenen stockkatholischen Gewitterziegen saß, die sich über Identitätsklau bei elektronischen Kreditkarten aufregten, der sie dazu zwingt, alles in winzig kleine Stücke zu reißen, ehe sie es wegwerfen. Na klar, die Rumänen, die Russen, die Triaden können's kaum erwarten, über sie herzufallen. Ja, mit Madame Duclos' Stromrechnung zwingen wir die Sparkasse in die Kniel Ihr Gerede machte mich sauer - sauer auf den inneren Aufbau der Zeit oder was immer dafür sorgt, dass die Zeit sich so zieht, wie sie es tut, dass einem das Leben so lang vorkommt. Am liebsten hätte ich ihnen gesagt, dass ihre Religion dekadent und überholt ist. Ich wollte ihnen beibringen, dass sie vor Tausenden von Jahren erfunden wurde, um Leuten, die das Glück (oder das Pech) hatten, älter als einundzwanzig zu werden, zu erklären, warum das Leben so kurz ist. Ich wollte diesen alten Schabracken sagen, dass ich von einer Religion lieber erfahren würde, warum das Leben so lang ist. Das frage ich mich immer noch.
    Vergesst die Religion, ich mutiere lieber. Ich würde so wahnsinnig gern mutieren. Ich saß im Bois de Vincennes in der Sonne und wollte meinen Körper dazu bringen, zu dem zu mutieren, was immer für den Menschen als nächste Daseinsstufe vorgesehen ist. Ob wir riesige Drosophila-Augen kriegen? Flügel? Elefantenrüssel? Ich sehne den Tag herbei, an dem wir uns zu etwas Besserem verwandeln als die gehypten Schimpansen, die wir im Moment sind, eine Horde von Affen, die Blumenkohlcremesuppe von Knorr essen und so tun, als würden sie nicht mitbekommen, dass die Hälfte des Planeten sich im Krieg befindet, im Krieg um ... ja, was? Um das Recht, Fertigsuppen essen zu können, ohne uns emotional mit der dunklen Seite unserer Spezies auseinandersetzen zu müssen. Wir sind eine Horde verkorkster Jasager-Affen. Hausmeister Willie hat uns Franzosen als käsefressende Kapitulationsaffen bezeichnet: Da liegt er nicht weit daneben. Aber es sind nicht nur wir Franzosen - wir als Spezies sind allesamt käsefressende Kapitulationsaffen.
    Ich bin normalerweise nicht der Typ, der an einem sonnigen Tag im 12. Arrondissement auf Parkbänken rumhockt. Eigentlich genau im Gegenteil. Ich wusste nicht mal, wie spät es war, als ich eiskalt und grob aus dem
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