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Generation A

Generation A

Titel: Generation A
Autoren: Douglas Coupland
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einem mittäglichen Schauer nass und noch immer heiß war, und sah Mitch, Kaylas Besitzer, mit einer Dachlatte auf seinen Hund einschlagen.
    Ein paar Nachbarn links und rechts die Straße runter sahen zu, aber keiner machte Anstalten, dem armen Tier zu helfen, also rannte ich zu Mitch hinüber, baute mich direkt vor ihm auf und sagte so etwas wie: »Du gemeine, hässliche Drecksau, keiner kann dich leiden. Hör auf, den Hund zu schlagen, du Fickgesicht, fick dich und verreck! Ich weiß noch nicht, wie, aber ich mach dich kalt.« Die arme Kayla jaulte, und eins ihrer Beine blutete, sie kauerte am Boden, so weit weg von Mitch, wie ihre Leine es zuließ.
    Mitch holte noch mal pro forma gegen Kayla aus, aber ich stellte mich zwischen ihn und den armen, winselnden Hund. Dann schwang Mitch drohend die Latte vor mir rum und brüllte ein paar sehr unappetitliche Sachen, aber Leute wie er machen mir keine Angst. Ich konnte Erdnussbutter in seinem Atem riechen, und ein kleines Stückchen Irgendwas traf mich in den Winkel meines linken Auges. Trotzdem zuckte ich mit keiner Wimper.
    In diesem Moment hielt neben uns Pastor Brandeis (Erik) mit seiner Frau Eva in einem klapprigen, alten Ford aus den i99oern, hochvoll mit Babysachen, Pappkartons und diesem Ruch von Armut, den man wahrzunehmen glaubt, wenn man auf dem Highway einen solchen Wagen überholt und denkt:
    Diese Leute werden für den Rest ihres Lehens so herumfahren, immer auf der Suche nach einem Ort, den sie nie finden werden, und immer wird im Heckfenster neben unlesbaren Ratgeberbüchern und schlecht gefalteten T-Shirts eine zerdrückte Pampers-Packung liegen. Erik und Eva waren vorbeigekommen, weil sie mit mir das Programm für die Sonntagsschule am nächsten Wochenende besprechen wollten.
    Ich gebe zu, dass ich in Erik verliebt war, was ich ihm zwei Wochen vorher durch eine Berührung mit der Hand und ein Flüstern dezent mitgeteilt hatte. Aber weil ich ja Tourette habe, sagte ich dann noch: »Fick mich, bitte fick mich.« Meine Gefühle waren nicht erwidert worden, und wegen dieses Vorfalls hatte ich jetzt keinen Anspruch mehr auf Barmherzigkeit. Ich war nur noch eine Plage.
    Auch an dem Nachmittag, als mich die Biene stach, kam er nur vorbei, weil ihm noch nicht eingefallen war, wie er mich von seinen Schäfchen trennen konnte, und er noch niemand anders für den Kuchenbasar gefunden hatte, der zweimal im Jahr stattfand. Er hatte Eva als Rückendeckung mitgebracht, und das machte mich sauer, weil ich ihr, na ja, tausend Tode wünschte. Die Leute meinen, ich ließe alles mit mir machen, aber ich habe genauso oft den Wunsch, jemand umzubringen, wie sie.
     
    Jedenfalls war es eine unschöne Szene. Jetzt, wo keine Gefahr mehr bestand, in etwas hineingezogen zu werden, kamen die feigen Nachbarn alle näher. Erik stellte Mitch die entschieden dumme Frage: »Warum schlagen Sie Ihren Hund?« Als gäbe es einen Grund, der so etwas rechtfertigen würde! War Kayla, die Dobermannhündin, Mitch etwa untreu gewesen? Hatte sie seine Sammlung von Zippo-Feuerzeugen aus dem Vietnamkrieg ins Leihhaus gebracht und das Geld für Lottoscheine und Speed rausgeschmissen? So wie Erik die Frage stellte, klang es, als gäbe es irgendeine Rechtfertigung, Kayla so zu misshandeln. »Wie kannst du so eine saublöde Frage stellen, Erik? Was um alles in der Welt kann ein Hund anstellen, um Prügel zu verdienen?«
    »Das Tier gehört mir«, sagte Mitch, »und ich kann mit ihm machen, was ich will.«
    »Sie ist ein lebendes Wesen und kein Rasenmäher, und sie ist eine Sie und kein Es.« Ich war empört.
    Erik erklärte: »Es ist ein Tier, Diana.«
    Mitch guckte selbstgefällig.
    »Was soll das heißen? Dass er den Hund schlagen darf, so viel er will, ohne dass es Folgen für ihn hat?«
    »Moment, ich sage nicht, dass es in Ordnung ist, Hunde zu schlagen.«
    Mitch machte ein langes Gesicht.
    »Verstehst du, Diana, Hunde haben keine Seele. Letztlich kommt es nicht darauf an, was mit ihnen passiert. «
    »Es kommt nicht darauf an?«
    »Der Kerl da ist ein Idiot, aber er begeht keine Sünde.«
    Mitch grinste hämisch. »Kapiert? Ich bin kein Sünder - jetzt schaff deinen Betschwesternarsch aus meinem Vorgarten raus.«
    Ich ignorierte ihn. »Erik, soll das heißen, du rechtfertigst, was dieser Neandertaler hier macht?«
    »Es gefällt mir nicht, aber es ist keine Sünde.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Durchaus«, sagte Erik, und sein Blick bedeutete: »Scheiß auf dich«.
    Eva sagte: »Komm, Diana. Gehen
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