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Generation A

Generation A

Titel: Generation A
Autoren: Douglas Coupland
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zeigte, hatte einer der neuen Angestellten der Bank an seinem Schreibtisch im dritten Stock einen Internetzugang sperrangelweit aufgelassen. Ich sah es gleich in dem Moment, als ich die Treppe raufkam, und schon hieß es, leb wohl, Metallputzmittel, und hallo, Drudgereport! Daraufhin verschwamm der weitere Nachmittag zu einem Wirrsal von Informationen, bis ich draußen von der Straße laute Stimmen hörte und so eine Art Rauschen, wie ich es heute mit der Klimaanlage in den Einrichtungen der Seuchenschutzbehörde verbinde. Ich ging zum Fenster, zog die Jalousie hoch, schaute hinaus und sah die graue Flutwelle des Tsunamis auf das Bankgebäude zurollen. Dass ich mich im dritten Stock befand und die unteren beiden Geschosse aus Beton waren, war meine Rettung.
    Schon da suchte ich in dem grauen Schlickpudding nach den Gesichtern meiner Angehörigen. Schon da wusste ich, dass die Verlobungsparty eine Party mit dem Tod gewesen war, und schon da wusste ich, dass ich nun der Mann in der Familie war - nur dass, nachdem ich mich kilometerweit durch salzigen, stinkenden Schutt nach Hause durchgearbeitet hatte, von unserem Haus nicht das Geringste mehr übrig war, nur ein Geglitsche von rotem Schlamm und obendrauf Abfälle aus dem Meer und ein Barsch, der an der Luft erstickt war. Nachdem zweiundsiebzig Stunden vergangen waren, hatte ich begriffen, dass ich gar keine Familie mehr hatte - alle waren tot. Es war ein sehr seltsames Gefühl, keine Wurzeln mehr in einem Land zu haben, das auf Zehntausende Jahre Geschichte zurückblickt. In meinen Job bei der Bank durfte ich nicht zurückkehren, weil mein Vater nicht mehr da war - ich hatte niemanden mehr außer mir. Ein paar Jahre hielt ich mich über Wasser, indem ich Schutt beseitigte und bei NGOs wie UNICEF und UNESCO mithalf, eine neue Infrastruktur aufzubauen. Anders als so viele junge Männer meines Alters ließ ich mich nicht nach Dubai locken, und nachdem die Aufräumarbeiten beendet waren, hatte ich das Glück, in einem Callcenter für Abercrombie&Fitch in einem Lagerhaus am Bandaranaike Airport einen Putzjob zu bekommen.
    Ich wusste, dass das nur vorübergehend war, denn meine Liebe zur amerikanisch geprägten globalen Kultur und meine Kenntnis der inneren Verfasstheit der Craigs würden es mir eines Tages ermöglichen, zum vollwertigen Callcenter-Mitarbeiter aufzusteigen. Und tatsächlich, nach ein paar Jahren erfüllte sich mein Traum.
    Ich machte schnell Karriere und wurde Leiter der Abteilung für die American beziehungsweise Canadian Central Time Zone bei Abercrombie&Fitch. Das verdankte ich der Tatsache, dass ich meinen Arbeitskollegen Tipps geben konnte, die nicht auf den standardisierten, offiziellen Grußformel vorlagen zu finden waren - naheliegende Wörter wie »super« oder »stark« und auch subtilere Formulierungen wie: »Ich höre Ihnen jetzt schon an, dass Sie an den Sachen, die Sie bereits erstanden haben, viel Freude haben werden.
    Wir können Ihnen darüber hinaus für einen begrenzten Zeitraum auch noch zwei Kurzarm-Sweater aus Seidenkaschmir für den Preis von einem anbieten plus eine Pashima-Stola aus Fleece, die Sie rein gar nichts kosten wird. Überlegen Sie mal. Sie haben sich das nun wirklich verdient - und stellen Sie sich nur vor, wie frei Sie sich in der frischen Herbstluft draußen in diesen todschicken Teilen fühlen werden.«
    Es machte mir Freude (und nun zitiere ich aus einem hausinternen Memo), »eine rundum kundenorientierte Dienstleistung anzubieten, die den Service fortwährend optimiert und versucht, ein umfassenderes Verständnis für die Konsumbedürfnisse und -muster unserer Kundschaft zu gewinnen«.
    Ich war ein hervorragender Verkäufer. Aber ich soll ja die Geschichte erzählen, wie ich gestochen wurde, also komme ich vielleicht später noch einmal auf die Abenteuer bei Abercrombie&Fitch zu sprechen.
    Für die Menschen am Telefon, dort auf der anderen Seite der Welt, zwölf Stunden entfernt von mir, hatte ich bald nur noch Verachtung übrig. Mein Bezirk war der nordamerikanische Mittelwesten, und das Einzige, was mich bei der Stange hielt, war die Aussicht, die äußerst glamouröse New-England-Abteilung zu übernehmen, der auch Maine eingegliedert war und die auf der anderen Seite des Lagerhauses bei den Kisten voll Guaven residierte. Das andere Gute an meinem Job war der unbegrenzte Highspeed-Internetzugang am Ende der Schicht (die übrigens zwölf Stunden dauerte). Dafür hätte ich auch gratis gearbeitet.
    Allerdings wollte
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