Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal
Autoren: Jörg Blech
Vom Netzwerk:
nur eine Nebenwirkung der »Herz-Hose«, wie die Forscher die Konstruktion nennen. Es geht hauptsächlich um Anschubhilfe: Die Herz-Hose erhöht die Schubkraft des Blutes im Herzen – und soll auf diese Weise die Zellen zur Arteriogenese anregen.
    Sieben Wochen lang haben die Berliner Mediziner Holger Schulze und 15 weitere Herzpatienten die Wonnen der Herz-Hose auskosten lassen, und zwar jeden Werktag eine Stunde lang. Nach der Hosen-Kur haben die Mediziner die Herzen der Probanden untersucht – und deutliche Hinweise auf sich bildende biologische Bypässe gefunden. Die federführende Eva Buschmann zeigt sich beeindruckt und sagt: »Die Leistung der Umgehungskreisläufe hat sich um 87  Prozent verbessert.«
    Und bei immerhin 6 der 16  Herz-Hosen-Patienten gingen die Krankheitssymptome zudem merklich zurück. Zu ihnen gehört Holger Schulze. Weil seinem Herzen überraschend viele Umgehungsarterien gewachsen sind, ist die Weitung einer Engstelle mit einem Ballonkatheter, die bereits geplant war, nun nicht mehr nötig. Um den Nutzen der Herz-Hose weiter zu dokumentieren, suchen Ivo Buschmann und seine Kollegen Teilnehmer für weitere Studien. An 300  Herzpatienten, aber auch an 250  Menschen mit arteriellen Verschlüssen in den Beinen sowie an 50  Personen mit verengten Gefäßen im Gehirn wollen sie ihre Therapie testen. [159]
    Allerdings verstehen die Ärzte die Herz-Hose (Stückkosten samt Pumpe: 90   000  Euro) keineswegs als Ersatz für körperliche Bewegung. Da gibt Ivo Buschmann den gestrengen Doktor und sagt: »Sich von der Herz-Hose durcharbeiten lassen und dabei vorm Fernseher liegen – genau das möchten wir nicht.« Dauerhaft könne das neuentwickelte Gerät allenfalls bei Patienten zum Einsatz kommen, die aufgrund von Amputationen und anderen Behinderungen nicht mehr laufen können.
    Bei anderen Patienten soll die Herz-Hose lediglich helfen, die Gene in den Gefäßen zu aktivieren. Sobald die Arteriogenese in Schwung gekommen ist, sollen die Menschen die Schubkraft des Blutes selber erhöhen: durch regelmäßige körperliche Bewegung.
    Ertüchtigung ist nämlich der natürlichste und beste Dünger für die Blutgefäße – der Marathonläufer und Kardiologe Christian Seiler vom Inselspital in Bern hat das im Selbstversuch nachgewiesen. [160] Im Alter von Mitte 40 lief der drahtige Arzt über einen Zeitraum von vier Monaten jede Woche etwa acht bis zehn Stunden. Seine Kollegen untersuchten, wie sein Herz darauf reagierte: Das Training hat die Durchblutung der Kollateralen um 60  Prozent erhöht.
    Seiler selbst ist kerngesund, aber er wollte auch wissen, inwiefern verkalkte Herzkranzgefäße von Ertüchtigung profitieren. Für eine Studie ermunterte er 24  Herzpatienten zu mäßigem Ausdauersport (je 30  Minuten an fünf Tagen pro Woche). Schon nach drei Monaten zeigte sich: Die Bewegung wirkte ebenfalls wie ein gutes Medikament. Und das konnte man sogar regelrecht dosieren. Je trainierter eine Testperson war, desto mehr biologische Bypässe hatte sie.
    Ehe sie loslegen, sollten Menschen mit bestehenden Gefäßkrankheiten das Bewegungspogramm mit einem Facharzt für Angiologie abstimmen. Damit die Arteriogenese überhaupt ihre segensreiche Wirkung entfalten kann, müssten bestimmte Engstellen in den Gefäßen zunächst beseitigt werden, sagt Karl-Ludwig Schulte, Chefarzt am Gefäßzentrum Berlin. »Ein Verschluss im Becken etwa muss behandelt werden, damit das Blut wieder bis in die Beine strömen und dort die Kollateralen überhaupt wachsen lassen kann.«
    Eine Abfolge von Chirurgie und Bewegung war es auch, die Gero Behrend wieder gesund gemacht hat. In einer siebenstündigen Operation verpflanzten die Ärzte eine Vene in sein Bein, um den rechten Unterschenkel wieder mit Blut zu versorgen; sodann verschlossen sie die offenen Wunden mit Haut aus der Hüfte.
    Die Eingriffe waren chirurgische Meisterleistungen. Aber zur Rettung des Beins fehlte noch eines – und das konnte nur der Patient selber beisteuern. Gero Behrend erzählt: »Ich dachte mir: Wenn ich weitermache wie bisher, dann ist das wohl nicht so gut.« Nach 42  Jahren gab er das Rauchen auf. Dafür unternahm er fortan ausgedehnte Spaziergänge, um das Blut in seinen Beinen in Wallung zu bringen. »Meine neuen Arterien sind ein Geschenk.«

Kapitel  13 Drüsen machen keinen dick
    2004 kam in Leipzig ein Mädchen auf die Welt, das nicht satt zu kriegen war. Sah das Baby den Busen der Mutter, wurde es ganz zittrig und schluckte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher