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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal
Autoren: Jörg Blech
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und Zucker eine Chemikalie hinzu, die das für die Methylierung zuständige Enzym blockiert. Wie erwartet, entstanden diesmal keine zusätzlichen Methylmarkierungen. Das
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konnte ungestört arbeiten.
    Die Experimente verdeutlichen, wie stark ein falscher Lebensstil die Aktivität von ausgerechnet solchen Genen beeinträchtigen kann, die im Normalfall für unser Wohlbefinden bürgen. Das Volksleiden Typ- 2 -Diabetes mellitus zeigt es eindrucksvoll: Wir sind nicht die Opfer unserer Gene – die Gene sind unsere Opfer.

Kapitel  12 Was das Herz begehrt
    Körperliche Bewegung ist gut, aber bei Gero Behrend beschränkte sie sich aufs Zigarettenholen. Zwei Schachteln rauchte der Innenarchitekt aus Berlin jeden Tag. »Quer durch den Garten«, erzählt er. »Hauptamtlich aber Ernte  23 .«
    Sein Körper war damit irgendwann überfordert: Behrend ist 52  Jahre alt, als seine rechte Hand nach dem Abendbrot taub auf dem Teller liegen bleibt. Das Bein zieht er nach, er nuschelt, der Mundwinkel hängt schlaff herab – ein leichter Schlaganfall.
    Für den Kettenraucher ist das »Schlägle« kein Grund, sein Leben zu ändern. Seine Lähmungserscheinungen sind auch nicht so schlimm, dass sie ihm das Rauchen unmöglich machen. »Mit der anderen Seite der Lippen konnte ich die Kippe ja noch halten.«
    Die Symptome des leichten Schlaganfalls bilden sich sogar zurück. Sechs Jahre – und 87   000  Zigaretten – später gibt es Ärger mit dem rechten Bein. Weil er hemmlungslos geraucht und sich zugleich kaum körperlich bewegt hat, ist das Bein kalt und blau. Im Unterschenkel gibt es drei Hauptarterien – zwei davon sind bei Gero Behrend verstopft.
    Das Gewebe wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und beginnt aus diesem Grund abzusterben: Auf Spann und Schienbein entstehen zwei schwärende Wunden. Ein Jahr lang schmiert ein Dermatologe Salbe darauf, aber die offenen Stellen werden groß und größer. Die Ärzte denken schon daran, das Bein unterhalb des Knies zu amputieren.
    Heute ist Behrend 67  Jahre alt, und es geht ihm viel besser. Lächelnd betritt er ein Ausflugslokal im Berliner Grunewald und bestellt einen Kaffee. [155] Das Bein ist noch dran, die schlimmen Wunden sind vernarbt. Ebenso erfreulich sieht es im Innern des Beins aus, wie eine Untersuchung per Ultraschall offenbart hat: Neben den verstopften Blutgefäßen sind kräftige Arterien gewachsen und haben das Bein von innen geheilt. Behrend lehnt sich entspannt zurück und sagt: »Dass so etwas möglich ist, hätte ich niemals geglaubt.«
    Die Gesundung mag wie ein Wunder erscheinen. Sie beruht jedoch darauf, dass Gero Behrend die Steuerung von Genen in den Zellen seiner Gefäße verändert hat. Der noch wenig bekannte Mechanismus, der dadurch ausgelöst wird, heißt Arteriogenese, und er kann sich in jedem Menschen abspielen.
    Die Schubkraft regt die Gene an
    Denn im Körper finden sich neben den großen Arterien kleine Gefäße, die oft nur einen Zehntelmillimeter dick sind. Dank dieser sogenannten Kollateralen kann man sich einen biologischen Bypass wachsen lassen, und das geht so: Wenn eine große Arterie allmählich enger wird, dann sucht sich das Blut neue Wege. Es strömt zunehmend durch die kleinen Kollateralen – die sich auf diesen Reiz hin in vollwertige Arterien verwandeln können.
    Während Mediziner nach »Risikogenen für Arteriosklerose« suchen und bereits etliche »Herzinfarkt-Gene« gefunden haben wollen, ergibt sich mit der Entdeckung der Arteriogenese ein anderes Bild. Die Gesundheit des Gefäßsystems ist weit weniger biologisch vorprogrammiert, als die Entdeckung angeblich immer neuer Risikogene vorgaukelt (eine Ausnahme ist die familiäre Hypercholesterinämie, die jedoch selten ist). [156] Entscheidend für den Zustand der Gefäße ist der Lebensstil. Auch wenn der Großvater und der Vater am Herzinfarkt erkrankt waren, muss das kein Schicksal sein, sofern man pfleglich mit seinen Gefäßen umgeht. Und dazu ist es nie zu spät, wie die Entdeckung der Arteriogenese offenbart. Selbst bereits verkalkte Gewebe und Organe lassen sich regenerieren, indem man das Blut wieder gezielt in Wallung bringt. Der biologische Bypass hat keine Nebenwirkungen und verspricht eine natürliche Heilung.
    Einer der Pioniere der Behandlungsmethode ist Wolfgang Schaper, emeritierter Professor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung im hessischen Bad Nauheim. In jahrzehntelanger Kärrnerarbeit hat er entdeckt: Das Gefäßsystem
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