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Gene sind kein Schicksal

Gene sind kein Schicksal

Titel: Gene sind kein Schicksal
Autoren: Jörg Blech
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Tag in ein Freibad in Lund. Es war der Tag des großen Sehtests unter Wasser. Aufgrund des gleißenden Sonnenlichts waren die Pupillen der jungen Schwedinnen schon sehr klein (Durchmesser von 2 , 1 Millimeter), als sie am Beckenrand standen. Doch auf ihren Tauchgängen verengten sich ihre Pupillen noch weiter (auf 1 , 9 Millimeter), und sie konnten somit genauso gut sehen wie die Kinder der Seenomaden. [2]
    Die Biologin musste ihre anfängliche Vermutung zurücknehmen. Durch das Training hatten die Kinder aus Lund die optische Wahrnehmung verändert und sich gleichsam einen zusätzlichen Sinn erschlossen. »Wir können lernen, unter Wasser zu sehen«, sagt Anna Gislén. »Der Körper ist viel wandlungsfähiger, als wir uns das vorstellen konnten.«
    Es gibt noch mehr Geschichten wie die vom Geheimnis der Seenomaden, und sie werden hier erzählt. Die Gene sind gar nicht die Marionettenspieler, für die wir sie gehalten haben, und wir sind keine Marionetten. Die Gene steuern uns – aber auch wir steuern sie.

I Die neue Lehre von den Genen
    Kapitel  1 X ist ein Gen für Y
    Mehr als 2000 Männer haben sich vor einiger Zeit in Schweden zusammengetan, weil sie wissen wollten, warum es ausgerechnet sie getroffen hat. Sie waren an Krebs erkrankt; die Vorsteherdrüse eines jeden der Männer war bösartig entartet und damit zu einer tickenden Zeitbombe geworden. Mal bricht die Erkrankung gar nicht oder erst in vielen Jahren aus, mal kommen die Metastasen in wenigen Wochen. Keiner der Männer wollte die Ungewissheit hinnehmen. Sie wollten etwas tun, sie meldeten sich als Testpersonen und ließen sich von ihren Ärzten Blut abnehmen.
    Niemals zuvor haben Mediziner das Erbgut so vieler Patienten mit Prostatakrebs so gründlich untersucht: Aus den weißen Blutkörperchen isolierten sie das genetische Material, die DNA , fahndeten nach auffälligen Erbfaktoren, entwarfen die genetischen Profile von insgesamt 2149 Männern und verglichen sie mit Profilen von 1781 gesunden Männern gleichen Alters. Das angesehene
New England Journal of Medicine
vermeldet das Ergebnis auf zehn Seiten, weil es von einer bis dahin nicht vorstellbar großen Erblast kündet: Wer vier verschiedene Risikogene von seinen Eltern geerbt hat, der hat eine fast fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass seine Vorsteherdrüse zu einem Krebsherd mutieren wird.
    Die erkrankten Männer macht der Befund zwar nicht mehr gesund, jedoch können die Väter unter ihnen erfahren, ob sie das bedrohliche Erbe an ihre Kinder gegeben haben. Einen Test auf die Krebsgene haben die Ärzte bereits zum Patent angemeldet und wollen ihn mit einer privaten Firma vermarkten. Da Frauen keine Vorsteherdrüse haben, erkranken sie selbst nicht an dem Leiden. Gleichwohl dürfte der Test sie ebenfalls interessieren, weil auch sie die vermeintlichen Risikogene für Prostatakrebs tragen und an Söhne vererben können.
    Es vergeht kaum eine Woche, in der Forscher nicht die Entdeckung neuer Krankheitsgene verkünden. Mehr als 300  Forschungsinstitute auf fünf Kontinenten haben, in der bisher weltweit größten Studie dieser Art, das Erbgut von mehr als 100   000  Menschen analysiert – und fünf veränderte Gene als Ursache für die Entstehung von Typ- 2 -Diabetes mellitus identifiziert. [3] Mediziner von der Technischen Universität München wiederum haben mit Kollegen von 48  Forschungszentren das Erbgut von mehr als 28   000  Menschen europäischer Abstammung gemustert – und wollen auf neun Gene gestoßen sein, die uns anfällig für Vorhofflimmern machen. Wer die Erkrankung hat, dem drohen Herzrasen und Schlaganfall.
    Die Suche nach Genen erobert die Medizin. Die treibende Kraft sind die enormen Fortschritte der Labortechnik, fraglos eine Revolution: Das Erbmaterial DNA können Genetiker heutzutage schneller und preisgünstiger entziffern als jemals zuvor. Nach dem Humangenomprojekt, der Entzifferung des menschlichen Erbguts, zu Beginn des neuen Jahrtausends haben Wissenschaftler die Ära der personalisierten Medizin eingeläutet. In Vergleichsstudien wollen sie die Gene für alle erdenklichen Volksleiden finden. Der Ansatz beruht darauf, dass es im Genom Millionen Stellen gibt, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden können. Diese » SNPS « (sprich Snips, für
single nucleotide polymorphisms
) sind wie Wegmarken in den Weiten des Genoms.
    Forscher suchen nun in riesigen Reihenuntersuchungen systematisch nach SNPS , die gehäuft bei bestimmten Erkrankungen auftreten.
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