Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
einfach ignoriert. Er war sich sogar ziemlich sicher gewesen, gar keins zu besitzen. Aber nun war er tief bekümmert darüber, Rachel nach Hawksworth Hall geholt zu haben. Wenn er das nicht getan hätte, würde Lord Lonsdale vielleicht noch leben. Andererseits, wenn er Rachel der Gnade ihres Mannes überlassen hätte, dann wäre sie wahrscheinlich mittlerweile tot. Hatte er das Richtige getan?
    Gab es überhaupt so etwas wie das Richtige?
    Er zog sich an, kämmte seine nassen Haare und dachte an Lara. Es gab eine Menge Dinge, über die sie noch einmal sprechen mussten … schmerzliche Dinge, die er eigentlich nicht sagen und die sie sicher auch nicht hören wollte. Stöhnend presste er sich die Fäuste vor die Augen. Er überlegte, wie alles angefangen hatte, mit seinem überwältigenden Wunsch, Hunter Cameron Crossland zu werden. Es war überraschend, wie natürlich sich alles angefühlt hatte. Er hatte den Namen zu seinem eigenen gemacht, bis es sogar ihm schwer fiel, sich daran zu erinnern, dass er ein gestohlenes Leben lebte. Seine andere Existenz hatte er wie in einem staubigen Speicher weggeschlossen.
    Und Lara hatte es aus Gründen, die er nicht verstand, möglich gemacht, dass das Spiel weitergehen konnte.
    Vielleicht sah sie ihn als einen ihrer vielen wohltätigen Fälle an und wollte ihn vor dem retten, was er war. Aber er konnte nicht zulassen, dass Lara Teil der Lüge wurde. Er konnte es nicht ertragen, sie noch mehr hineinzuziehen, als er es bereits getan hatte.
    Erfüllt von Angst und Sehnsucht ging er zu Lara, um sich von ihr zu verabschieden.
    Lara saß in einem Sessel vor dem Kamin in ihrem Schlafzimmer, zitternd vor Kälte, obwohl das Feuer ihre bloßen Zehen wärmte. Rachel schlief fest in ihrem eigenen Zimmer. Der Arzt hatte ihr eine Dosis Laudanum verabreicht.
    Johnny hatte noch ein Glas heiße Milch bekommen, sie hatte ihm eine Geschichte vorgelesen und jetzt lag auch er sicher in seinem Bettchen und schlief. Obwohl Lara erschöpft war, hielt sie sich gewaltsam wach, aus Angst, Hunter würde sie ohne ein Wort erneut verlassen, wenn sie einschliefe.
    Sie zuckte zusammen, als die Tür aufging und Hunter eintrat, ohne anzuklopfen. Automatisch stand sie auf. Sie warf einen Blick auf sein verschlossenes Gesicht und statt ihm um den Hals zu fallen, schlang sie die Arme um sich. »Ich dachte, du hättest mich nach den Aussagen in London verlassen«, sagte sie ruhig. »Ich dachte, du würdest nicht mehr zurückkommen.«
    »Ich wollte auch nicht. Aber dann dachte ich daran, dass du hier allein mit Rachel bist, und mir wurde klar, was Lonsdale vorhatte. Ich wäre schon früher gekommen, wenn ich klar hätte denken können.«
    »Du bist noch rechtzeitig gekommen«, entgegnete Lara mit ersterbender Stimme. »Oh, Hunter … unten … einen Moment lang dachte ich, du seiest verletzt… oder tot…«
    »Nicht.« Er brachte sie mit einer Geste zum Schweigen.
    Kläglich schwieg Lara. Wie konnte es sein, dass sie sich vor ein paar Tagen noch so vertraut gewesen waren und sich jetzt als Fremde gegenüberstanden? Sie liebte ihn, ganz gleich, wie er hieß, ganz gleich, welches Blut in seinen Adern floss, ganz gleich, was er glaubte oder wollte. Solange er nur sie wollte. Aber als sie in sein ausdrucksloses Gesicht blickte, konnte sie sich nicht vorstellen, ihn jemals zu überzeugen.
    »Bleib bei mir«, sagte sie und streckte flehend die Hand aus. »Bitte.«
    Er blickte sie an, als ob er sich selbst hasste. »Bitte mich nicht darum, Lara.«
    »Aber du liebst mich doch. Ich weiß es.«
    »Das ist ohne Bedeutung«, erwiderte er düster. »Du weißt, warum ich gehen muss.«
    »Du gehörst zu mir«, beharrte sie. »Und zumindest hast du die Pflicht, für das Kind zu sorgen, das du gezeugt hast.«
    »Es gibt kein Kind«, sagte er gepresst.
    Lara trat auf ihn zu, bis sie dicht vor ihm stand. Sie ergriff seine Hand und führte sie zu ihrem Bauch. Sie presste seine Handfläche darauf, als ob sie ihn die Wahrheit fühlen lassen könnte. »Ich trage dein Kind in mir.«
    »Nein«, flüsterte er. »Das kann nicht sein.«
    »Ich würde dich nicht anlügen.«
    »Mich nicht«, entgegnete er bitter, »aber alle anderen. Um mich zu retten.« Er schlang seinen Arm um sie und drückte sie an sich, als ob er nie mehr aufhören könnte. Ein Schauer durchrann ihn und er barg sein Gesicht in ihrem Haar. Sie hörte, wie sich der Rhythmus seines Atems änderte, und merkte, dass seine Maske zerbrach und die Verzweiflung und Liebe darunter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher