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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder
Autoren: Lisa Kleypas
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der sie einfach verlassen hatte, noch über ihre Verwandten, die sie mit verächtlichem Spott behandelten.
    Aber trotz all ihrer offenkundigen Gelassenheit war da noch etwas anderes in ihren grünen Augen. Ein leiser Aufruhr, der auf Gefühle und Gedanken schließen ließ, die sie niemals auszudrücken wagte. Soweit Young das beurteilen konnte, hatte Larissa beschlossen, sich mit ihrem Witwenstand abzufinden. Es wurde häufig darüber geredet, dass sie einen Ehemann bräuchte, doch es konnte sich im Grunde niemand vorstellen, wer denn nun eigentlich zu ihr passen würde.
    Es war also zweifellos eine gute Sache, wenn sich herausstellte, dass der verstorbene Earl in Wirklichkeit noch lebte.
    »Mylady«, murmelte Young entschuldigend, »ich möchte Sie nicht erschrecken. Aber ich dachte mir, Sie sollten umgehend über alles informiert werden, was den verstorbenen Earl betrifft.«
    »Könnte es denn tatsächlich wahr sein?«, flüsterte Lara stirnrunzelnd.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Young vorsichtig. »Da die Leiche des Earls nie gefunden wurde, besteht vermutlich die Möglichkeit, dass …«
    »Natürlich ist es nicht wahr.«, brauste Arthur auf. »Habt ihr beide den Verstand verloren?« Er schob Young beiseite und legte Lara in einer beschützenden Geste die Hand auf die schmale Schulter. »Wie kann dieser Schurke es wagen, Lady Hawksworth solchen Qualen auszusetzen?«, rief er mit geheucheltem Mitleid aus.
    »Es geht mir gut«, unterbrach Lara ihn. Sie war bei seiner Berührung zusammengezuckt. Stirnrunzelnd wandte sie sich ab und trat ans Fenster. Sie sehnte sich danach, aus diesem überladenen Salon herauszukommen. Die Wände waren mit hellrosa Seide mit üppigen Goldemblemen bespannt und in den Ecken standen große Gefäße mit exotischen Pflanzen. Jeder Winkel war vollgestopft mit Nippes.
    »Vorsicht«, rief Janet aus, als Laras schwerer Rock an einem Kugelglas auf einer niedrigen Mahagonisäule vorbeistreifte und es zum Wackeln brachte.
    Lara blickte auf die beiden Goldfische, die verloren in dem Glas herumschwammen, und dann wieder auf Janets verkniffenes Gesicht. »Sie sollten nicht am Fenster stehen«, murmelte sie. »Sie mögen nicht soviel Licht.«
    Janet lachte verächtlich auf. »Es war mir klar, dass du es wieder einmal besser weißt«, sagte sie säuerlich und Lara wusste, dass sie die Fische jetzt absichtlich dort stehen lassen würde.
    Seufzend blickte Lara über die Felder um Hawksworth Hall. Vereinzelt standen hier und dort Gruppen von Walnussbäumen und Eichen und mitten durch das Land floss ein breiter Fluss, der auch die Mühle speiste und von Schiffen befahren wurde, die in Market Hill, einem geschäftigen, aufstrebenden Hafen, vor Anker gingen.
    Auf dem künstlich angelegten See vor dem Herrenhaus schwammen Enten, die das königliche Dahingleiten eines Schwanenpaares behinderten. Hinter dem See führte eine Straße in den Ort, die mit einer alten Steinbrücke begann, welche die Einheimischen die ›Brücke der Verdammtem nannten. Eine Legende besagte, dass der Teufel selbst die Brücke dorthin gesetzt habe, um die Seele des ersten Mannes, der sie überquerte, zu kassieren. Und der einzige Mann, der es je gewagt hatte, einen Fuß darauf zu setzen, war ein Vorfahre der Crosslands gewesen, der sich dem Teufel widersetzt und sich schlichtweg geweigert hatte, ihm seine Seele zu geben. Daraufhin hatte der Teufel über seine Nachfahren den Fluch verhängt, dass sie für alle Zeit Schwierigkeiten haben sollten, männliche Nachkommen zu zeugen, um ihre Linie zu erhalten.
    Lara war beinahe geneigt, der Geschichte Glauben zu schenken. Es hatte in jeder Generation der Crosslands immer nur sehr wenige Kinder gegeben und die meisten Jungen waren früh gestorben. Einschließlich Hunter.
    Lara lächelte traurig und zwang sich, ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart zu richten. Sie wandte sich Mr. Young zu. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann, nicht viel größer als sie selbst. »Wenn dieser Fremde tatsächlich mein Gemahl ist«, fragte sie leise, »warum ist er dann erst jetzt zurückgekehrt?«
    »Seinem Bericht nach«, erwiderte Young, »trieb er nach dem Schiffbruch zwei Tage im Meer und wurde von einem Fischerboot auf der Fahrt nach Kapstadt aufgenommen. Er war verletzt worden und hatte sein Gedächtnis verloren. Seinen Worten nach wusste er noch nicht einmal mehr seinen Namen. Ein paar Monate später kehrte sein Gedächtnis zurück und er fuhr zurück nach England.«
    Arthur schnaubte
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