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Geliebter Fremder

Geliebter Fremder

Titel: Geliebter Fremder
Autoren: Lisa Kleypas
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dass es nun zwei Dutzend Kinder beherbergte und dass einer Hand voll Lehrern ein jährliches Gehalt gezahlt werden konnte.
    Lara stöhnte innerlich auf, wenn sie an das Vermögen dachte, das ihr früher einmal zur Verfügung gestanden hatte – was hätte sie jetzt mit dem Geld alles anfangen können! Es müssten so viele Reparaturen am Waisenhaus vorgenommen werden. Sie hatte sogar ihren Stolz heruntergeschluckt und Arthur und Janet gefragt, ob sie nicht zugunsten der Kinder eine Schenkung machen würden, war aber kalt abgewiesen worden.
    Der Earl und die Countess von Hawksworth waren der festen Überzeugung, dass die Waisenkinder früh genug lernen sollten, dass die Welt kein Zuckerschlecken war und sie auf sich allein gestellt waren.
    Seufzend stellte Lara den Korb neben der Tür ab. Ihr Arm zitterte von dem Gewicht. Aus den Augenwinkeln sah sie einen braunen Lockenkopf in einer Ecke verschwinden. Das musste Charles sein, dachte sie, ein rebellischer Elfjähriger, der ständig für neue Schwierigkeiten sorgte.
    »Ich wünschte, jemand würde mir helfen, diesen Korb in die Küche zu tragen«, sagte sie laut und prompt tauchte Charles auf.
    »Sie haben ihn doch schon den ganzen Weg hierher allein getragen«, bemerkte er missmutig.
    Lara lächelte ihm in das sommersprossige Gesicht mit den blauen Augen. »Sei nicht spitzfindig, Charles. Hilf mir mit dem Korb und auf dem Weg in die Küche kannst du mir erzählen, warum du heute früh nicht beim Unterricht bist.«
    »Miss Thornton hat mich aus dem Klassenzimmer geschickt«, erwiderte er, ergriff eine Seite des Korbhenkels und beäugte hungrig den Käse. Zusammen trugen sie den Korb durch den Flur. »Ich habe zu viel Lärm gemacht und nicht aufgepasst.«
    »Warum das denn, Charles?«
    »Ich hatte meine Rechenaufgaben vor allen anderen fertig. Warum muss ich denn still sitzen bleiben und nichts tun, nur weil ich klüger bin als die anderen?«
    »Ich verstehe«, erwiderte Lara, die sich darüber im Klaren war, dass das wahrscheinlich stimmte. Charles war ein intelligentes Kind, das mehr Aufmerksamkeit brauchte, als ihm hier zuteil werden konnte. »Ich werde mit Miss Thornton reden. In der Zwischenzeit musst du versuchen, dich zu benehmen.«
    Als sie die Küche betraten, begrüßte die Köchin sie lächelnd. Mrs. Davies’ rundes Gesicht war rosig von der Hitze des Ofens, auf dem ein großer Kessel mit Suppe stand. Ihre braunen Augen blitzten. »Lady Hawksworth, wir haben ein unglaubliches Gerücht aus dem Ort gehört…«
    »Es stimmt nicht«, unterbrach Lara sie. »Es handelt sich nur um einen verwirrten Fremden, der uns weismachen will, er sei der verstorbene Earl. Wenn mein Mann überlebt hätte, wäre er schon längst nach Hause gekommen.«
    »Wahrscheinlich«, entgegnete Mrs. Davies, offensichtlich enttäuscht. »Aber es wäre eine romantische Geschichte gewesen. Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, Mylady, Sie sind zu jung und zu hübsch, um Witwe zu sein.«
    Lara schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich bin ganz zufrieden mit meinem Schicksal, Mrs. Davies.«
    »Ich will, dass er tot bleibt«, verkündete Charles. Mrs. Davies keuchte entsetzt auf.
    »Was bist du doch für ein kleiner Teufel!«, rief die Köchin aus.
    Lara beugte sich zu dem Jungen hinunter und strich ihm über die widerspenstigen Haare. »Warum sagst du das, Charles?«
    »Wenn er wirklich der Earl ist, dann kommen Sie nicht mehr hierher zu uns. Dann müssen Sie zu Hause bleiben und tun, was er sagt.«
    »Charles, das stimmt nicht«, erwiderte Lara ernst. »Aber wir brauchen darüber jetzt auch gar nicht zu reden. Der Earl ist tot – und die Menschen kehren von den Toten nicht wieder zurück.«
    Straßenstaub bedeckte Laras Röcke, als sie zum Anwesen der Hawksworths zurückkehrte. Das Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser unter der Brücke der Verdammten. Als Lara auf ihr Cottage zuging, rief plötzlich jemand ihren Namen. Überrascht blieb sie stehen, als sie sah, dass ihre frühere Zofe Naomi mit geschürzten Röcken auf sie zugelaufen kam.
    »Naomi, lauf nicht so schnell«, rief Lara. »Am Ende fällst du noch hin und tust dir weh.«
    Die mollige Kammerzofe keuchte vor Anstrengung und Erregung. »Lady Hawksworth«, rief sie, nach Luft ringend, »oh, Mylady … Mr. Young schickt mich, um Ihnen zu sagen … er ist hier … im Schloss … sie sind alle da und … Sie müssen sofort kommen.«
    Lara blinzelte verwirrt. »Wer ist hier? Mr. Young schickt nach mir?«
    »Ja, sie haben ihn aus
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