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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter
Autoren: Jacques Le Golf
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wurden. Allerdings hatten die Bewohner von Narbonne ein so großes Interesse an einer guten Münzqualität, dass Amauri I. auf Drängen der Stadtkonsuln im Jahr 1265 per Dekret erklären musste, »er werde die neue Münze, die sein Vater unlängst auflegte, zeit seines Lebens beibehalten und wahren«. 16
    Die Großbaustelle der Kathedralen
    Gleichwohl verschlangen im 13. Jahrhundert noch vor den genannten großen Ausstattungs- und Instandhaltungsarbeiten die monumentalen gotischen Kathedralen das meiste Geld. Über viele Jahrhunderte wurde die Legende verbreitet, diese Kathedralen seien allein kraft des Glaubens und eines religiösen Eifers entstanden, der bewirkte, dass die Mächtigen den Großteil der Baustoffe kostenlos lieferten und die Arbeiten unbezahlt ausgeführt wurden, sei es durch Lehnsarbeiter, die von ihren Herren ausgeliehen wurden, sei es durch freie Werktätige, die ihre Arbeitskraft in den Dienst Gottes stellten. Kritischere historische Untersuchungen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben gezeigt, dass der Kathedralenbau viel Geld gekostet hat und mithin, wie ich bereits angedeutet habe und bei aller Bewunderung für diese großartigen Bauwerke, eine der Ursachen für das Stocken der europäischen Wirtschaft im Mittelalter, neben den Kreuzzügen und der Aufsplitterung der Geldmärkte, in den hohen Kosten des Kathedralenbaus zu suchen ist. Der amerikanische Historiker Henry Kraus hat diesem Problem 1979 ein hervorragendes Buch mit dem vielsagenden Titel Gold was the Mortar. The Economics of Cathedral Building gewidmet. Darin untersucht er die Finanzierung einiger großer Kathedralen, was aufgrund der spärlichen Quellenlage und in Ermangelung detaillierter Angaben freilich nur annäherungsweise möglich ist und sich kaum in heutigen Zahlenwerten ausdrücken lässt, nämlich von Paris, Amiens, Toulouse, Lyon, Straßburg, York, Poitiers und Rouen. Notre-Dame de Paris wurde vor allem durch die Kirche finanziert, und zwar aus den Erträgen ihrer Besitztümer, teilweise auch durch den Verkauf dieser und anderer Vermögenswerte, aus Geldschenkungen durch reiche Bischöfe sowie einer Sonderabgabe, die das Kapitel in der ersten Bauphase am Ende des 12. Jahrhunderts mehrfach erhob. Beispielsweise hinterließ der Gründerbischof Maurice de Sully nach seinem Tod 1196 ein Legat von 100 Pfund für den Kauf von Blei für das Dach des Mittelschiffs. Um 1270 kam der vermögende Kirchenrechtler Jean de Paris für den Bau des Querschiffs auf. Am großzügigsten zeigte sich Bischof Simon Matiffas de Buci mit Schenkungen von insgesamt über 5000 Pfund.
    In Amiens wurde der Bau der Kathedrale (1220 bis 1250) vor allem durch Abgaben der Stadtbürger finanziert. Der Bischof Geoffroy d’Eu verkaufte seinerseits einen Teil seiner Güter. Außerdem untersagte er Schenkungen an andere Kirchen der Stadt für die Dauer der Bauarbeiten. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts nahm die Stadt für die Fertigstellung des Bauwerks hohe Kredite auf, was ihren Schuldenstand dramatisch erhöhte. Überdies zwang sie die Dominikaner, die außerhalb von Amiens ansässig waren, aber zwei Häuser in der Stadt besaßen, diese zu verkaufen, um an ihrer Stelle einen Markt zu errichten, dessen Einkünfte dem Kathedralenbau zugute kamen. Die Geldspenden der Kaufleute, die durch den Handel mit Färberwaid reich geworden waren, wurden ihnen mit einem eindrucksvollen Standbild gedankt, das sie selbst darstellt.
    Toulouse erhielt nicht die Kathedrale, die ihrer Bedeutung als Großstadt würdig gewesen wäre, weil weder die Bürgerschaft noch die Kirche gewillt war, allzu viel in den Bau zu investieren. Andere Kirchenbauten hatten bereits im 12. Jahrhundert das Interesse und die Mittel der Stadtbürger und des Klerus verbraucht: die prächtige Cluniazenser-Basilika Saint-Sernin und die Pfarrkirchen der Daurade und Dalbade, wobei Letztere im Wesentlichen durch die zahlreichen im Viertel ansässigen Handwerker und Händler finanziert worden waren, insbesondere die Zunft der Messerschmiede. Außerdem waren die Zeiten der Katharerverfolgungen, die auch in Toulouse wüteten, nicht günstig für die Errichtung einer großen Kathedrale. Als Bischof Bertrand de L’Isle-Jourdain (1270–1286) im späten 13. Jahrhundert die Pläne für den Kathedralenbau wieder aufgriff und voranzutreiben suchte, floss der Großteil der Gelder in den Bau der Kirchen von Bettelorden, in erster Linie in die Kirche des Dominikanerklosters Les Jacobins, die die Toulouser als
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