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Geld im Mittelalter

Geld im Mittelalter

Titel: Geld im Mittelalter
Autoren: Jacques Le Golf
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Beginn des 14. Jahrhunderts besaßen Charles Petit-Dutaillis zufolge die Städte beispielsweise »Häuser, die sie gegen Entgelt vermieteten, Plätze, Schraubstöcke, Gräben, manchmal auch Mühlen, und sie nahmen allerlei kleinere Beträge ein. […] Sie kassierten Bußgelder, Steuern bei Eigentumsübertragungen und Gebühren bei der Aufnahme in die Bürgerschaft oder in eine Zunft. Sie boten Stadtämter und Posten von Schutzleuten zum Kauf an.« Freilich vermochten all diese Einnahmen, wie der zitierte Historiker anmerkt, die laufenden Ausgaben nicht zu decken: »Häufig machten sie nicht einmal ein Fünftel des Haushalts aus. Die restlichen vier Fünftel stammten in Amiens beispielsweise aus Jahressteuern, in die die Bevölkerung prinzipiell einwilligte und die von Stadt zu Stadt variierten.« Die Stadtoberen bedienten sich also des Mittels der Steuererhebung, und zwar zum einen der Vermögenssteuer, also einer direkten Steuer, wie man heute sagen würde – allgemein taille genannt –, und zum anderen der indirekten Steuern, die hauptsächlich auf wirtschaftliche Aktivitäten erhoben wurden und für die es viele Bezeichnungen gab, wobei alle unter den Oberbegriff aides fielen. 19 In Brügge existierten zu Beginn des 14. Jahrhunderts drei »Bitten«, die hier maltôtes genannt wurden: Steuern auf Wein, Bier und Met. Die Erhebung der Weinsteuer wurde an Geldwechsler verpachtet. Zusammen machten die drei Steuerarten bis zu 85 Prozent der städtischen Gesamteinnahmen aus. Häufig sahen sich die Städte wegen der mit der Erhebung der – sehr unpopulären – Steuern verbundenen Schwierigkeiten gezwungen, Kredite aufzunehmen und Schulden zu machen. Patrick Boucheron hat dies die »Dialektik von Anleihe und Steuer« genannt. In den schriftlichen Quellen tauchen öffentliche Schulden von dem Moment an auf, in dem städtische Rechnungslegungen verfügbar sind, zumeist ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Flandern, Nordfrankreich und in den Ländern des Heiligen Römischen Reiches. Im Laufe des 14. Jahrhunderts sind sie auch in italienischen Städten, in der Provence, in Katalonien und im Königreich Valencia nachzuweisen. Tatsächlich führte diese Ausgaben- und Steuerproblematik der Städte dazu, dass eine Buchführung nach kaufmännischem Vorbild entwickelt wurde, die am Ende des 13. Jahrhunderts allgemeine Verbreitung fand, in Ypern ab 1267, in Brügge ab 1281. Die Rechnungslegung fiel in die Zuständigkeit der Kämmerer, zumeist wohlhabender Leute, die im Falle eines Haushaltsdefizits mit ihrem Vermögen in Vorleistung treten mussten. Kommunale Rechnungsberichte wurden nicht in Latein, sondern in der Volkssprache abgefasst und gehören zu den ersten Dokumenten, für die Papier verwendet wurde, das man auf den Messen der Champagne einkaufte. Die Bilanzen der Stadt Lille wurden 1301 und 1303 auf Papier festgehalten.
    Die Finanzen der Stadt des Mittelalters basierten im Allgemeinen auf einer charte de franchise – einem Freibrief. Wie Lewis Mumford schreibt: »Der Freibrief war für die Städte die Grundvoraussetzung für eine effiziente ökonomische Struktur.« Beispielsweise wurde in dem berühmten Freibrief Coutumes de Lorris von 1155 festgelegt, dass die Bewohner der Gemeinde keine Steuern auf Erzeugnisse des persönlichen Bedarfs und selbst angebautes Getreide zu zahlen hätten und in Etampes, Orléans, Milly und Melun vom Zoll befreit seien.
    Mit der Ausweitung der zentralistischen Mächte, etwa der Grafschaft Flandern oder des Königreichs Frankreich, gerieten die städtischen Finanzen unter eine immer stärkere Kontrolle. Grafen und Könige versuchten Haushalte aufzustellen, aus denen nicht eindeutig hervorgeht – jedenfalls bei denen, die uns heute noch vorliegen –, ob die Zahlen reale Geldbeträge oder Schätzungen wiedergeben. Einer der spektakulärsten Versuche städtischer Finanzkontrolle war eine Verordnung, die der französische König Philipp der Kühne 1279 auf Ersuchen des Grafen Guido von Dampierre von Flandern erließ. Darin wurde den Schöffen sämtlicher flämischer Städte auferlegt, jährlich dem Grafen oder seinen Vertretern und in Anwesenheit aller beteiligten Stadtbürger, insbesondere Vertretern des Volkes und der Bürgerschaft, über die Verwaltung der Finanzen Bericht zu erstatten.
    Auf diese Weise war die Existenz des Geldes in der mittelalterlichen Stadt immer deutlicher zu spüren. Auch wenn das größte Bestreben der Stadtbürger darin bestand, frei zu sein und
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