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Geisterhauch (German Edition)

Geisterhauch (German Edition)

Titel: Geisterhauch (German Edition)
Autoren: Darynda Jones
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noch heiß, kraftvoll, lebendig. Sein Herz schlug unter meiner Handfläche. Sein Puls pochte laut in meinen Ohren. »Ich lasse das nicht zu.«
    Drohend kam er einen Schritt näher und senkte die Kapuze, sodass ich die harten Linien seines Gesichts sehen konnte. »Du verstehst nicht, was passiert, wenn sie mich finden, wenn sie mich mitnehmen.«
    »Das verstehe ich sehr wohl«, erwiderte ich flehend. »Sie werden dich foltern. Sie werden den Schlüssel benutzen, um auf diese Ebene zu gelangen. Aber –«
    »So einfach ist es nicht.«
    Was war einfach? »Was dann? Sag es doch.«
    Er zögerte. Sein Widerstreben war deutlich zu spüren. Schließlich sagte er: »Ich bin wie du. Ich bin der Schlüssel.«
    »Ich weiß. Das habe ich schon verstanden.«
    »Nein, hast du nicht.« Er rieb sich mit behandschuhter Hand die Stirn. »Während du das Portal bist, durch das man in den Himmel gelangt …« Er ließ beschämt den Kopf hängen. »… bin ich das Portal, durch das man aus der Hölle entkommt. Wenn sie mich zu fassen bekommen, werden ganze Legionen herkommen, ohne dafür auf den Rücken einer neuen Menschenseele steigen zu müssen.«
    Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen. Es war schwer zu glauben. Wir waren uns viel ähnlicher, als ich es mir vorgestellt hatte. Beide ein Schlüssel. Beide ein Portal. Eins zum Himmel, eines zur Hölle. Wie ein Spiegel.
    »Mit mir hätten sie direkten Zugang. Und als Erstes würden sie dich jagen. Durch mich können sie aus der Hölle heraus und durch dich in den Himmel hinein. Und jetzt beweg dich, oder ich tue es für dich.«
    Er würde es tatsächlich tun. Er würde mich zu Boden werfen, um an seinen Körper heranzukommen. Ich empfand eine solche Verzweiflung, als ich zu ihm aufblickte, solch eine Qual, dass ich die Hand hob und sprach.
    »Rey’aziel, te vincio.«
    Er stockte und riss ungläubig die Augen auf.
    »Jawohl«, sagte ich, als er mich fragend ansah, »ich binde dich.«
    Fassungslos wich er zurück. »Nein«, sagte er und griff nach seinem Umhang, der sich bereits auflöste. Sein Schwert fiel und schien zu zerspringen, als es am Boden aufkam, dann verschwand es. Flehend sah er mich an. »Dutch, nicht.«
    Sein anklagender Blick, die Enttäuschung über den Verrat, war wie ein Stich ins Herz. Es fühlte sich hundertmal schlimmer an, als das, was er mir mit dem Schwert hätte antun können. Dann verschwand er. Im selben Moment kam Leben in seinen irdischen Körper. Laut keuchend krampfte er sich zusammen, knirschte vor Schmerzen mit den Zähnen. Die nackte Qual stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Onkel Bob!«, schrie ich, und er und Dad stürmten heran. »Bitte, helft ihm.«
    Sie luden Reyes in den Rettungswagen. Er hatte bereits eine Sauerstoffmaske auf dem Gesicht und einen Infusionsschlauch am Arm. Er sah so verletzlich aus wie ein Kind. Am liebsten hätte ich ihn in die Arme genommen und alles Schlimme, das passiert war, zum Verschwinden gebracht. Doch dazu musste man zaubern können wie im Märchen. Trotz meiner Gaben oder vielleicht gerade wegen meiner Gaben glaubte ich nicht an Magie.
    Onkel Bob, Dad und ich hatten unsere Aussagen abgesprochen, bevor der Rettungswagen kam. Wir waren auf dem Weg zu meiner Wohnung, um Unterlagen zu einem Fall zu holen – so lautete unsere Geschichte –, als ich aus dem Keller ein Geräusch hörte. Dort fanden wir den bewusstlosen Reyes und riefen den Rettungswagen. Das klang einleuchtend. Wenn man nicht zu gründlich darüber nachdachte. Aber nachdem ich es zwanzigtausend Mal erzählt hatte, klang es in meinen Ohren irgendwie hohl.
    Um meine blutverschmierte Kleidung zu verbergen, saß ich in Dads Jackett im Warteraum des Krankenhauses und hoffte auf Nachricht über Reyes’ Zustand, während mich ein anderer Arzt mit Fragen löcherte. »Hören Sie, ich weiß nicht, wodurch er verletzt wurde oder was passiert ist, und es tut mir auch leid, dass einige Verletzungen schon Tage alt sind. Ich habe ihn so gefunden.«
    Neil Gossett verscheuchte den Arzt mit einem finsteren Blick und setzte sich mit zwei Kaffeebechern neben mich.
    »Danke«, sagte ich.
    »Wo ist dein Onkel?«
    »Er musste zurück aufs Revier. Wir haben gerade einen großen Fall aufgeklärt, und er muss die Zeugen befragen.« Er wollte auch Cookie berichten, was passiert war. Sie würde froh sein, dass wir Reyes gefunden hatten.
    »Also«, sagte Neil, als er mir den Becher gab, und betrachtete stirnrunzelnd das Blut an meinen Händen, »wie ich die Sache sehe, ist
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