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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen
Autoren: Michele Jaffe
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geschickt und dich als Colin ausgegeben. Du hast damit gerechnet, dass Liza angelaufen käme, doch stattdessen bin ich gekommen, und Grant hat mich niedergeschlagen. Er hat mein Handy benutzt, um Liza ebenfalls anzulocken. Aber nun hattet ihr zwei Leute, die ihr loswerden musstet.«
    »Was für eine interessante Geschichte.«
    »Dabei habe ich deine Tätowierung gesehen. Als du Grant zu Hilfe gekommen bist. Du hast dich über mich gebeugt und mir ins Gesicht geschlagen, um zu sehen, ob ich bei Bewusstsein bin. Ich habe mich ohnmächtig gestellt, aber ich habe alles mitbekommen. Und ich habe gehört, wie du gelacht hast. Du hast es genossen.« Ich schaute hinunter auf das Meer aus weißen Blumen. »Allerdings weiß ich nicht, warum du es getan hast. Weshalb wolltest du Liza weh tun?«
    Ihr hübsches Gesicht wurde ernst. »Du hast sie nicht richtig gekannt. Für dich und ihre Freundinnen war sie ein nettes Mädchen, aber in Wirklichkeit war sie schrecklich. Sie hat nur an sich selbst gedacht und an ihr eigenes Vergnügen. Musste immer ihren Willen bekommen.«
    »Das stimmt nicht.«
    Sie sah mich arglos an. »Aber es stimmt. Es musste immer alles nach ihrer Nase gehen. Sie wollte immer mehr und hat nie an andere gedacht. An die Familie. Sie konnte sich nicht mehr beherrschen. Ich habe ihr gesagt, dass sie etwas dagegen tun muss, aber sie hat mich einfach ignoriert. Nach Weihnachten wurde es immer schlimmer. Der Zettel brachte das Fass schließlich zum Überlaufen. Sie dachte, sie könnte uns verlassen!« Sie sah mich aus großen, ungläubigen Augen an. »Sie dachte, sie könnte unsere Familie im Stich lassen. Sie musste lernen, dass man für seine Handlungen einstehen muss. Eine Familie ist wie ein Team – wenn man etwas macht, trifft es alle anderen auch. Und man muss die Anführerin respektieren. Sie hatte keinen Respekt.«
    Sie ist verrückt
, dachte ich.
Völlig geisteskrank.
»Also hast du sie dazu gebracht, die Plattensammlung deines Vaters zu zerstören?«
    »Sie sollte spüren, wie es ist, wenn man etwas zerstört, das andere Menschen lieben. Das andere Menschen sorgfältig gepflegt haben. Denn genau das tat sie uns an. Indem sie uns verlassen wollte, zerstörte sie die Familie. Sie musste aufhören, so egoistisch zu sein.«
    »Aber sie wollte gar nicht weggehen. Der Zettel war doch für mich.«
    Victoria tat meinen Einwand ab. »Sie wäre aber irgendwann gegangen.« Sie schnippte ein
Stäubchen von ihrem Pullover. »Ich wollte ihr nur Disziplin beibringen. Es war zu ihrem eigenen Besten. Doch selbst da blieb sie egoistisch. Sie
wusste
, dass ich mich gezwungen sehen würde, Ellie weh zu tun, wenn sie die Schallplatten nicht zerstörte. Das hatte ich klar und deutlich gesagt. Es war die einzige Möglichkeit, es ihr beizubringen. Aber hat sie sich für meinen Schmerz oder Ellies Schmerz interessiert? Dafür, was für ein schlechtes Beispiel sie abgab? Nein. Sie machte es so langsam wie möglich, zerbrach jede Schallplatte in ganz viele kleine Teile, weil sie so ein schlechtes Gewissen dabei hatte. Sie fühlte sich schlecht. Sie konnte immer nur an sich denken.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Also habe ich ihr in Colins Namen eine Nachricht geschrieben und sie an eine Stelle gelegt, an der sie sie finden musste.«
    Das war es. Das fehlende Puzzleteil. Das eine Element, das alles in Gang gesetzt hatte. »Was stand drin?«
    »Dass ihm klar geworden sei, dass er sie nicht liebe und es idiotisch gewesen sei, mit ihr weglaufen zu wollen.« Sie machte eine wegwerfende Geste, so als wäre diese eine Sache, diese entscheidende Tat, die mehr als ein Menschenleben gekostet hatte, trivial und bedeutungslos.
    Sie konnte ihre Selbstzufriedenheit kaum verbergen, und ich wurde hellhörig. »Du hast sie gehasst.« Die Erkenntnis kam mir ganz plötzlich. »Du hast sie gehasst, weil sie nicht auf dich hören wollte, weil sie nett und freundlich war und weil die Menschen sie mochten und deshalb gerne taten, was sie sagte, und nicht, weil man sie dazu zwang.«
    Etwas wie Zorn blitzte in Victorias Augen auf, verschwand aber, bevor ich es genau benennen konnte. Dann sah ich nur noch Schmerz und Verwirrung. »Du irrst dich«, erwiderte sie und klang den Tränen nahe. »Ich habe sie geliebt. Ich wollte ihr helfen, ein besserer Mensch zu werden. Ich wollte sie retten. Unsere Familie retten. Sie hat uns zerstört. Wie ein Krebsgeschwür. Ich musste den Krebs entfernen. Grant hat es verstanden, als ich es ihm erklärt habe. Er
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