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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen
Autoren: Michele Jaffe
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Dornröschen.
    Ich versuchte, noch im Halbschlaf herauszufinden, was das bedeutete, als ich Schritte hörte und Bain und Bridgette hereinkamen.
    Zu meiner Überraschung schluchzte Bridgette sofort los. »Ich bin so sauer auf dich«, sagte sie, während sie mich schluchzend umarmte. »Du hast uns belogen. Belogen. Die ganze Zeit.« Weiteres Schluchzen und Umarmen. »Du hast mir so gefehlt, Aurora. Ich habe dich jeden Tag vermisst, und du hast uns belogen. Und du dachtest, wir wollten dir etwas antun. Als ich dich auf der Straße gesehen habe, wollte ich dir sagen, dass wir die ganze Sache beenden sollten.«
    »Ich dachte, du wolltest mich umbringen.«
    Bridgette schüttelte den Kopf. »Wir sind vielleicht eine Familie. Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
    Bain war zurückhaltender. Nachdem Bridgette fertig war, sagte er: »Ich möchte gerne allein mit Ro sprechen.« Sie nickte und ging hinaus. Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett und wirkte ziemlich nervös.
    »So. Die Polizei hat gesagt, dass du, hm, dein Gedächtnis wiedergefunden hast. Wenn auch nicht ganz.«
    »Das habe ich ihnen erzählt.« Ich sah ihn eindringlich an. »Aber es war gelogen. Ich kann mich an alles erinnern.«
    Er stieß hörbar die Luft aus und lehnte sich zurück. »Ich bin nicht stolz auf das, was ich getan habe. Und es tut mir leid.«
    »Sicher. Warum erzählst du mir nicht deine Version?«
    »Nachdem du an dem Abend verschwunden warst, bin ich weggefahren. Ich hatte keinen Grund, länger auf der Party zu bleiben, nachdem mein Plan offenkundig fehlgeschlagen war. Und dann sehe ich dich plötzlich am Straßenrand. Du schlenderst da einfach so entlang. Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte mir die ganze Mühe gemacht, um dich entführen zu lassen, und du bist irgendwie verschwunden. Und dann, zack!, bist du wieder da. Ganz allein. Ich habe angehalten und dir angeboten, dich mitzunehmen, und … na ja, es war ganz seltsam.«
    »Wieso seltsam?«
    »Ich sagte ›Aurora, soll ich dich mitnehmen?‹ Und du hast mich angesehen und gefragt: ›Wer bist du?‹ Du hattest keine Idee, wer ich war, wusstest nicht mal deinen Namen, nichts. Umso besser, dachte ich mir, dann hättest du auch vergessen, was geschehen war. Ich habe dich mitgenommen. Du bist eingeschlafen und wir sind in Richtung Phoenix gefahren. Ich dachte, ein Ort sei ebenso gut wie der andere, während ich mich um die Lösegeldforderung und alles Weitere kümmerte. Ich habe dich in einem Hotel untergebracht. Doch irgendetwas muss passiert sein, denn als ich zu dir zurückgekommen bin … hast du nicht geatmet. Ich dachte, du bist tot.«
    »Also hast du mich dort zurückgelassen.«
    »So war es nicht. Ich habe den Notruf gewählt und bin erst dann gefahren. Ich konnte nichts tun, ich bin doch kein Arzt. Ich dachte mir, wenn du tot bist, werden sie sich schon darum kümmern, dich identifizieren, und ich wäre zu Hause, bevor die Familie den Anruf erhält.«
    »Aber es kam kein Anruf.«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Das war … das war seltsam. Ich bin davon ausgegangen, dass sie die Leiche nicht identifizieren konnten. Ich war mir so sicher, dass du tot bist.«
    »Wo war das?«
    »Auf dem Weg nach Phoenix, habe ich doch gesagt.«
    »Ich meine, wie hieß das Motel?«
    »Oh. Das Highway Motel.«
    Ich höre ein Summen. Ich liege auf einem Bett, die Wange an die Decke gedrückt. Licht fällt durchs Fenster, Abendlicht, und ich habe keine Ahnung, wo ich mich befinde oder wie ich hergekommen bin. Ich sehe mich nach einer Uhr um, doch es gibt keine. Meine Füße liegen etwas höher auf dem Kissen. Mein Kopf befindet sich am Fußende. Ich stütze mich auf die Ellbogen. Ich sehe mein Gesicht im Spiegel über der Kommode.
    Ich habe keine Ahnung, wie ich heiße. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin oder welcher Tag heute ist. Ich sehe, wie der Spiegel das Fenster reflektiert. Durch die halbgeöffneten Vorhänge erkenne ich eine Autowaschanlage und einen Teil von einem Schild. Ich beuge mich zum Spiegel und starre auf das Spiegelbild des Schildes, fahre die Buchstaben mit dem Finger nach. T-O-M Y-A-W. Tom Yaw.
    Im Geiste drehte ich das Spiegelbild um.
WAY MOT .
Tom Yaw war gar keine Person; es waren die mittleren Buchstaben von »Highway Motel«, die ich im Spiegel gesehen hatte. Gegenüber der Autowaschanlage.
    So war es also passiert. Das war die Geschichte.
    Dachte ich jedenfalls. Denn obwohl ich das in diesem Augenblick nicht erkannte, fehlte ein entscheidendes Stück noch
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