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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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bekommen nur immer mehr das Gefühl, dass es doch nicht gescheit war, sich als „Mr. Newman“ auszugeben. Ich glaube, das wäre ein spa n nendes Buch. Ihre Angst würde mir große Freude machen. Nur leider, immer, wenn mir Ideen kamen, war ich nicht vor dem Comp u ter. Und war ich vor dem Computer, hatte ich anderes zu tun, als an diese Idee zu de n ken. Videos anschauen. Beobachten. So habe ich das Buch nicht einmal begonnen. Aber es wäre wohl auch bloß so ein en t behrlicher Schmarrn geworden, wie er bereits tausendfach in den Regalen herumliegt. Also was soll es. Egal.
    Ich lese auf der riesigen Anzeigetafel, woher all die Flu g zeuge kommen: Bukarest, Shanghai, New York, Lissabon, Rom , und mich packt verfluchtes Fernweh. Will ganz weit weg.
    Ich halte es nicht aus mit mir. Warum habe ich Fernweh, wenn mir die ganze Welt eigentlich egal ist? Ist doch überall der gleiche Scheiß. Häuser, Straßen, Menschen. Und ich. Immer bin ich mit. Und i m mer entbehrlich. Ich will mich ja gar nicht mithaben. Also ist es ja völlig egal, wo ich bin.
    Und doch denke ich mir: So viel habe ich noch nicht g e sehen, so wenig habe ich begonnen. Quasi: Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals auf Hawaii oder wie das ve r trottelte Lied von dem alten Affen im Schlafrock heißt .
    Ich spüre, ich bin falsch in der verdreckten, altmodischen Ankunftshalle. Ich habe mich schon wieder für das Fa l sche entschieden. Immer mach ich alles verkehrt. Abflug wäre das Richtige gewesen. Weg. Ich bin ein Trottel, wie immer. Ich blödes Arschloch.
    Und wie immer, wenn mir ein Fehler bewusst wird, we r de ich sofort hilflos wie ein kleines Kind. Ich ärgere mich. Ich hadere mit allem. Verfluche meine fette Mutter, die es nie schaffte, ihre viel zu vielen Kilos zu verlieren und mich zu einem selbs t bewussten, tatkräftigen und glücksfähigen Menschen zu e r ziehen. Sie ist schuld. Sie hätte was tun müssen. Sie ist schuld, dass ich bin wie ich bin. Dass ich ein Stück Scheiße bin.
    Und wieder handle ich nicht. Ich mach das in ähnlichen Situationen immer so. Trinke weiter an meinem Kaffee, schaue weiter in die Luft und bin unzufrieden. Am lieb s ten würde ich etwas zerstören, um ein bisschen Dampf abzulassen. Zur Beruhigung stoße ich ein Glas mit Wa s ser um. Es fällt vom Tisch und zerbricht. Kaputt. Tot in hundert Scherben. Die Kellnerin räumt unaufgefordert die Scherben weg und sieht mich dabei an. Sie würde wohl gerne eine Entschuldigung hören. Ich grinse sie an. Sie wendet sich ab und schüttelt den Kopf. Sie hat ke i nen leichten Job. Aber wer hat das schon?
    Dann sehe ich, mit Aktentasche und Laptop, mit Anzug und Sonnenbrille , Frederick Freudenbauer. Er wohnt in der Wo h nung gegenüber meiner. Der Depp hat mir jetzt gerade noch gefehlt. Beschissener Name. Beschissener Anzug. Beschissene Sonnenbrille. Beschissener Typ.
    „Hallo! Wie geht es so? Was machst du da?“, fragt er.
    „Ich wollte eine Freundin abholen, aber sie hat ihren Flug leider nicht erwischt“, lüge ich. Ich lüge sehr gern. Lügen haben etwas zutiefst Lebendiges. Lügen sind herrliche Weltve r besserungsmittel.
    „Frauen“, schmunzelt er dümmlich.
    Ich lache. Ha. Gekünstelt. Wie in einem miesen, amerikan i schen Film. Dann bekomme ich doch ein schlechtes Gewissen. Ich sollte sieben Mal bis 100 zählen. Oder was Gutes tun. Oder was in die Luft jagen.
    „Soll ich dich mitnehmen? Ich bin mit dem Auto da und muss jetzt zurück“, heuchle ich.
    „Ja gerne, aber es muss nicht sein. Ich k ann mir genau so gut ein Taxi nehmen“, sagt Frederick.
    „Nein, nein, ich wollte eh gerade heimfahren“, lüge ich. „Komm mit!“
    Wir gehen gemeinsam zum Parkdeck. Seine Bewegu n gen wirken irgendwie lockerer als meine. Sein ganzer Körper schwingt mit. Ich bewege mich nicht so gerne. Weil es eben nicht sehr locker aussieht, wenn ich gehe. Ich will nicht auffa l len. Ich spanne meine Schulter zu viel an. Meine Beine sind zu kurz. Ich würde gern auch im Sommer bei 40 Grad im Scha t ten einen grauen Mantel tragen. Ich mach es aber nicht, weil es erst recht auffällig ist.
    Es ist Mittag. Ich habe Hunger, aber keine Lust zu essen.
    „Woher kommst du?“, frage ich.
    „Aus Berlin“, sagt Frederick. Und er erzählt von einem Wor k shop, an dem er gestern teilgenommen hat. Er erzählt mir vom Kurfürstendamm und vom Wannsee. Von den schönen Galerien und den co o len Kneipen. Von den Menschen. Von Begegnungen.  Vom Alexanderplatz. Es interessiert
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