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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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peinlich. Mir graut vor euch. Ich hasse euch. Ich verac hte euch. Euch alle. Vor allem die , die weinen.
    Okay. Ich gebe es zu: Ich hab beim Abschied schon mal g e weint. Ein einziges Mal. Damals habe ich gespürt, dass es kein Wiedersehen geben wird. Auch wenn wir uns das in diesem Moment ganz fest versprochen hatten. Aber was wi ss t denn ihr oberflächlichen Trottel schon von A b schiedsschmerz? Ihr kennt das doch nur aus dem Fernsehen. Und macht es einfach nach. So wie ihr die Reze p te aus den Kochsendungen nachmacht. Nicht einmal gut macht ihr es nach. Es schmeckt nicht. Weil ihr Diletta n ten seid. Es ist nicht euer Schmerz. Es ist gar kein Schmerz. Es ist gar nichts. Ihr seid gar nichts.
    Ich fahre in Richtung Ankunftshalle. Denn hier gibt es keinen Abschied. Stattdessen Wiedersehen s freude. Geheuchelte Freude natürlich. Und auch soviel soll klar sein: Ich entscheide mich damit ke i neswegs für das Freudige anstelle des Schmerzes, sondern für das kollektive Gefühl des gleichzeitigen, gespannten Wartens a n statt der individuellen und persönlichen Abschiedsszenen. Darum geht es. Hauptsache spüren. Irgen d etwas spüren. Nicht nur Scheiße im Kopf. Aber es ist schon wieder Scheiße im Kopf. Was denke ich bloß?
    Ich spüre dann auf einmal sehr schnell. Nämlich, dass ich fehl am Platz bin. Wenn man diese E r kenntnis gewinnt, dass man irgendwo nicht dazu gehört, dann wird mit jeder weiteren Sekunde die Kluft zu den anderen größer.
    Ich bin nicht einer von den hibbeligen, mit Blumen in der Hand stehenden Jung-Verliebten. Ich bin keine Mutter mit drei kleinen Kindern, die immer ihren Kopf in alle Richtungen dreht, um so weder ein Kind noch die Ankunft ihres Liebsten oder ihrer Schwiegermutter zu ve r säumen. Nicht einmal ein cooler Taxi-Fahrer bin ich, mit einem Namensschild in der Hand und einem gel a ngweilten Ausdruck im Gesicht. Ich bin wieder nur ich. Ich trinke schwarzen Kaffee, schaue zu. Die meisten Wiedersehen, die ich beobachte, sind erwartungsgemäß wenig rührend. Abschiedsschmerz ist vermutlich eine Illusion, der sich die Dummen hingeben, um sich nicht alleine fühlen zu müssen. Obwohl sie es ve r dammt noch einmal sind!
    "Und wie war es?", rufen zwei blasse Mitt-Vierziger zwei du n kel gebräunten Mitt-Vierzigern zu.
    "Super Hotel, super Strand", höre ich als Antwort. Diese Tro t tel. Wie wäre e s mit „Super Rausch, super Fick “ ? Das hätte mehr Klasse. 
    "Gecko, mein Gecko", sagt eine Blonde laut zu ihrem Zurüc k gekehrten. "Meinen Geburtstag müssen wir dieses Jahr a n ders feiern." Fick dich, Trampel. 
    Das Gute an der Ankunftshalle ist, dass zumindest die Zeit dort wie im Flug vergeht. In diesem Ko m men und Gehen, während der laufenden Änderungen auf der An zeiget afel, in diesem Raum gewo r denen Nicht-Stillstand, fühlt sich eine Viertelstunde wie zwei Minuten an. Ein guter Platz, um die Lebenszeit zu verkürzen, das Leben zu beschleunigen.
    Ich erinnere mich, dass ich eine stickige, lichtlose Ankunft s halle einmal als Anfangsidee für ein Buch hatte: Wie wäre es, so dachte ich, wenn zwei junge, naive St u denten, nehm en wir an Amerikaner, in Europa landen. Sagen wir sie landen in Prag, das ist geheimnisvoller und interessanter als Wien. Und weil ihnen langweilig ist (die Geschichte des alten Kontinents fesselt die beiden Idioten bislang natürlich nicht) und weil sie Geld sparen wollen, gehen sie zu einem Mann auf dessen Schild be i spielsweise "Mr. Newman" steht. „Mr. Newman ? “ fragt der Mann. „Yes, it´s me ! “ sagt einer der b eiden. Bloß, was die beiden Dummen nicht wissen: Der Mann ist echt b ö se. Er hat den echten Abholer von Mr. Newman bereits brutal umgebracht und zerschnipselt und will Mr. Newman (natü r lich den echten Mr. Newman) entführen. Eine Verwechslun gst ragödie! Am Beginn der Autofahrt in dem großen W a gen mit den dunkel getönten Scheiben sind die beiden Studenten noch abenteuerlustig, sie glauben, sie sind so g e scheit, haben so tolle Ideen. Mit einem kleinen Trick sparen sie sich die Fahrtkosten in die Stadt, denken sie. Sie finden sich so genial. So richtige Amerikaner eben. So super. So m e ga. So g iga. So h yper. Und dann, als auch nach einer Stunde Fahrt keine Stadt in Sicht ist, sondern alles nach Einöde wirkt, kommt die Angst. Sie kommt ganz langsam. Immer fester schnürt sich die nackte Angst um die pickligen Hälse der beiden Super-Amis. Sie verstehen die Sprache nicht. Sie verst e hen die Schilder nicht. Sie
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