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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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Mutter zu verstehen, dann fühle ich mich ko m plett verrückt.
    Ich greife nach neuen Frotteeküchenhandtüchern mit liebl i chen Blumen und versuche dabei, meine Mutter zu begreifen. Es geht nicht. Es kratzt. Es schmiert. Und es stinkt. Aber ich bin froh. Ich hasse Nähe.
    "Jede Woche ein neue s Leben ." Das wäre doch eigent lich ein verdammt gutes Lebensm odell. Trauer? Aber wo! Übermorgen beginnt doch schon wieder eine neue Welt. Sie geht im Osten auf und im Westen unter.
    Freude? Prinzipiell schon. Aber am Mittwoch ist alles vorbei. Oder sollte d as wochenfrische Leben immer montags begi n nen? Das wäre wohl langweilig. Donnerstag fände ich ganz gut. Da lässt die Kraft ohnehin schon stark nach. Im Kopf n a türlich bloß. Es ist egal, wann wir zu zählen beginnen und wann wir damit aufhören. Es ist ohnehin immer alles da und gleichzeitig auch nicht.
    Alles haben wir künstlich in Einheiten eingeteilt, an die wir uns eben gewöhnt haben. Interessant wäre ein L e ben, das nur eine Woche dauert. Für manche Lebewesen gilt das ja jetzt schon, denke ich. W ahrscheinlich w ä re auch bei diesem Modell die Kraft am Donnerstag schon recht gering. Natürlich nur dann, wenn nicht  am Mittwoch b e gonnen wurde. Aber das sollte ohnehin nicht sein, denn ich meine jetzt ein ganzes Leben. Mein ganzes L e ben. Nicht ein Jede-Woche-ein-neue s - Leben -Leben. Ein Nur-diese-eine- W oche-Leben meine ich. Oder besser: Ein N ur-mehr-diese-eine- W oche-Leben. Ich denke ziemlichen Schwachsinn daher. Aber ich verstehe mich. Wenigstens ich. Das sollte doch reichen. Ich ve r liebe mich auf Anhieb in diese Idee. Denke darüber nach, wie es wohl wäre.
    Ich sollte es wohl ausprobieren. Vielleicht ist der ganze Dreck dann irgendwie erträglicher, denke ich. In sieben Tagen wäre ich dann tot. Und bis dahin lebe ich. Mehr oder weniger. Die Idee kommt von irgendwo da innen in mir daher. Eher aus dem Bauch. Und das gefällt mir. Ich habe selten solche Eingebungen, die mich gleich überzeugen und nicht zweifeln la s sen. Und noch viel weniger oft habe ich Ideen, die mir gefa l len und die ich umsetzen mag.
    Ich werde über dieses Leben nun Buch führen. Mein dummes, kaputtes Leben steckt so zwischen einem Blog über Patchwork-Decken, Polit-Gedanken und dem Blog über drei Buben, in dem die Mutter der Welt e r zählt, was sie heute gemacht und gekocht hat. Gestern hat sie Äpfel im Schlafrock gemacht und mit ihren Kindern das Plan e tarium besucht. Un-pack-bar.
    Da ist der eigene Tod in sieben Tagen gleich wesentlich wü r devoller. Ich werde das angehen. Und ich bin zugleich übe r rascht, wie rasch ich zu einer Entscheidung gelangen kann. Nicht unbedingt, dass ich gerade zu dieser Entscheidung gelangt bin, überrascht mich. Eher, dass ich überhaupt zu einer Entscheidung gefunden habe. Die letzte echte Entscheidung habe ich in der Wah l zelle getroffen. Und das ist auch schon ein paar Jahre her. Noch dazu war sie falsch, obwohl ich zehn Min uten in der Wahlkabine noch hin und her überlegt habe. So wie eigentlich immer. Vielleicht entscheide ich de s halb so selten.
    Dass ich mich jetzt so unkompliziert für den Tod en t schieden habe, macht mich richtig stolz. Und dieser Stolz fühlt sich gut an. Das Gefühl ist nach wenigen Mome n ten dann aber auch gleich wieder weg. Und es herrscht erneut jenes Gefühl vor, das mir so sehr vertraut ist. Keines. Wohlig leichte, saubere Gefühllosigkeit. Aber immerhin bin ich in einer Woche tot. Ich habe also ein Ziel. Und geht mir das Leben auf den Wecker - und das tut es oft - denk ich mir: Eh nur noch ein paar Tage und einige wenige Stunden. Morgen beginne ich, gleich geht’s los.
    Ich träume mich in den Tod und freue mich auf ihn.
    „ Herzlich willkomm en Tod“ könnte ich auf meine Tür schre i ben. Oder „Tod, bitte eintreten“. Und nachher? Was, wenn es nach dem Tod wieder ein Leben gibt. Daran glaube ich nicht, das will ich nicht glauben. Nac h her, nachher. Ach. Ich würde dann bitte aber gerne im Weltall begraben werden. Obwohl es dort keine Erde gibt. Oder allenfalls in einer Bananen-Schachtel im Altpapier landen. Ir r tum Nummer 752: Ich habe mir gedacht, das Leben wird intensiver, besser, wenn man den Zeitpunkt seines T o des weiß. Aber dem ist nicht so. Es bleibt ein öder Scheiß.
    „Ich werde in sieben Tagen so tot sein, wie dieser Truthahn“ sage ich im Supermarkt zu der rothaar i gen Kassiererin mit der großen Nase und zeige mit den Fingern auf das Putengeschnetzelte am
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