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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer
Autoren: Kevin Dutton
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bloße Verbindung der drei Buchstaben wirkt als mächtiger, die
     Blicke und Interessen fangender, Geld angelnder Schlüsselreiz.
    Marketingbarone und andere Industriekapitäne bombardieren uns unablässig mit hinterlistig eingesetzten, unseren Radarunterlaufenden Schlüsselreizen. Im unermüdlich geführten Kampf um Aufmerksamkeit, um den so lukrativen Werberaum zwischen
     unseren Ohren, ist die Entwicklung von Schlüsselreizen das psychologische Äquivalent eines Nervengifts. Betrachten Sie das
     Foto von Marilyn Monroe:
    Hübsche Gitarre
    Kommt Ihnen etwas merkwürdig vor? Was ist zum Beispiel mit der Taille? Ist das nicht etwas zu sehr »Wespe«? Bilder wie dieses,
     auf denen ein Model, sei es durch die Gaben der Natur, sei es durch ein wenig Nachhilfe des Grafikdesigners (heutzutage meist
     das Letztere), außerordentlich ansprechende Qualitäten zeigt, sind allgegenwärtig in unserer Gesellschaft. Manchmal ist es
     richtig schwierig, sich ihnen zu entziehen (und ich möchte hinzufügen, dass dieser Zustand uns Männern genauso auf die Nerven
     geht wie euch Frauen). Diese Bilder sind da, weil sie Umsätze puschen. Doch interessanter als die Frage nach der Wirkungist die nach der Ursache. Was erregt und beunruhigt uns daran? Das lässt sich ganz einfach beantworten. Wir haben hier sozusagen
     eine biologische Karikatur – einen Bell Frog mit einem Megaphon. Man könnte auch sagen: einen »synthetischen« Schlüsselreiz.
    Um das zu erläutern, muss ich auf die Küken der Silbermöwen zu sprechen kommen. Sie reagieren instinktiv auf einen kleinen
     roten Fleck am Schnabel des Weibchens. Sie picken nach diesem Fleck, und das Muttertier beginnt automatisch, Nahrung auszuwürgen.
     Der rote Punkt ist also ein Schlüsselreiz. Was aber hat es damit auf sich, was genau macht den »Schlüssel« dieses Reizes aus?
     Biologen haben das untersucht, haben den Küken verschiedene Vogelköpfe und Schnabelformen präsentiert. Es stellte sich heraus,
     dass die Farbe von Kopf und Schnabel keine große Bedeutung hatte. Wesentlich für die Erzeugung einer Reaktion waren der rote
     Punkt, die schmale Schnabelform und bestimmte Bewegungen. Der Kopf muss gesenkt werden, so dass der Schnabel nach unten zeigt.
     Das sind die Hauptauslöser. Sie sind so wesentlich, dass ein stilisiertes Modell des Vogelkopfes – die Forscher sprechen von
     einem »supranormalen« Set von Reizen – sogar noch besser funktioniert. Ein braunes Stöckchen mit drei roten Streifen an der
     Spitze verstärkt, wenn es gegen das Küken gesenkt wird, den Effekt im Vergleich zum biologischen Original. Das Küken pickt
     noch intensiver.
    Das ist der Punkt.
    Die gleichen Prozesse der Beeinflussung, die bei Silbermöwen funktionieren, wirken auch bei uns Menschen. Aus den gleichen
     Gründen und mit den genau gleichen Mechanismen. Supermodellierte Brüste, supergeformte Pobacken, aufgespritzte Lippen, ein
     Waschbrettbauch wie aus Granit gemeißelt, endlos lange Beine – das sind sexuelle Signale, auf die wir Menschen genauso reagieren
     wie die Küken auf das braune Stöckchen und die roten Streifen. Es sind – ganz wörtlich – Karikaturen, nämlich übertriebene
     Darstellungen der ursprünglich gelernten sexuellen Reize, die irgendwann unseren Blick eingefangen haben. Und sie verstärken
     unsere Reaktionen.
    Ich bin nicht doof. Man hat mich nur so gezeichnet.
    Gewinnen mit Links
    Die Silbermöwen sind gut dran, denn die kommerzielle Ausbeutung von Schlüsselreizen kennen sie nicht. Das ist Angelegenheit
     der Menschen. Gleichwohl aber sind wir nicht nur im kommerziellen Bereich empfänglich für diese Art der Beeinflussung. Auch
     in unserem normalen alltäglichen Verhalten sind solche uralten Muster zu beobachten. Sie stammen aus einer Zeit, in der Beeinflussung
     eher eine Sache der Biologie als der Psychologie war. Und wo sie sich zeigen, können diese Muster ziemlich mächtig sein.
    Von Marco Mancini habe ich von der Freundin einer Freundin auf einer Party gehört. Er war ein Kollege von ihr beim Arbeitsamt.
     Sie war nicht lange dort geblieben, schon nach einigen Monaten holte sie sich ihre Papiere und zog ans Meer. Sie wollte nicht
     den Verstand verlieren und hatte es nicht mehr ausgehalten,wie viele andere vor ihr. Vier Mal in der Woche wurde der Feuerlöscher von der Wand gerissen, nicht um Feuer zu löschen, sondern
     um es zu schüren. Er wurde gegen das eiserne Sicherheitsgitter geschleudert, das ihren Arbeitsplatz vom Warteraum trennte.
    
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